Lügen & Liebhaber
angemessene Antwort gab.
Ich schlenderte derweil durch den kleinen, sehr spartanisch eingerichteten Laden und begutachtete etwas unmotiviert die ausschließlich schwarzen, anthrazitfarbenen und beigen Klamotten.
Endlich – der Kunde bezahlte und ging. Ich wollte gerade meinen Spruch von wegen zufällig vorbeigekommen vom Stapel lassen, aber Oskar vermasselte mir die Tour, indem er mir einen Handkuß gab und mich fragte, wie mir sein Laden gefalle. »Sehr schön. Wirklich.« Ich starrte auf sein knallenges schwarzes Hemd, das reichlich tuntig aussah.
Erst nachdem Oskar mir die neueste Sakkokreation von Rei Kawakubo gezeigt hatte – eine Jacke, deren Innenfutter aus lauter Rüschen bestand –, entspannten sich seine Gesichtszüge, und er erkundigte sich nach meinem Berlinaufenthalt. Auch ihm log ich von meiner Cousine vor, erzählte ihm, daß ich einen der wesentlichen Forschungsbeiträge über die Minnegrotte aufgestöbert hätte, und nur meine Wetterberichterstattung entsprach der Wahrheit.
»Schade … Ich hätte jetzt wirklich Lust, einen Kaffee mit dir zu trinken«, sagte Oskar, nachdem wir uns wie unter guten Freunden üblich gegenseitig über die Alltagsgeschichten der letzten achtundvierzig Stunden informiert hatten. »Aber ich kann unmöglich den Laden dichtmachen. Wann hast du mal Zeit?«
Wie wunderbar, daß ich nicht den ersten Schritt tun mußte.
»Morgen abend, übermorgen abend …«, sagte ich lässig und strich mit den Fingerspitzen über einen Stapel Pullover aus hauchdünner Merinowolle.
»Morgen bin ich verabredet, übermorgen ist Nina bei mir, hm …« Oskar spitzte die Lippen, wobei ein fiependes Geräusch entstand. »Nächste Woche sind dann schon die Schauen in Mailand.«
»Was ist mit heute abend?« fragte ich wagemutig, obwohl ich ja gar keine Zeit hatte.
»Hm, schlecht …«
»Ja, bei mir ist es auch schlecht«, sagte ich gereizt. »Letzte Vorstellung, anschließend ist noch eine Feier. Es ginge höchstens danach …« Ich legte ein Lächeln auf, von dem ich glaubte, es sei frech und provokativ.
»Also gut. Danach.« Oskar stieß mich leicht in die Seite. »Um wieviel Uhr ist danach?«
Mein Herz puckerte.
»Elf. Halb zwölf.«
»In Ordnung. Um Mitternacht am Bühneneingang?«
*
Ich hatte also ein Date mit Oskar und konnte mich auf einmal nicht mehr richtig freuen. War ich etwa zu plump gewesen und hatte mich ihm aufgedrängt? Und sollte man sich überhaupt in einen womöglich bisexuellen Typen mit kleiner Tochter verknallen?
Lauter so dummes Zeug schwirrte in meinem Kopf herum, während ich mich umzog und in die Maske ging. Später bei der Vorstellung, die ich dank Stanislaw bestens über die Bühne brachte, mischte sich ein Gefühl von Trauer in meine Gedanken. Vielleicht zelebrierte ich hier gerade meinen Abschied von der Oper. Es war nur eine Ahnung, aber wer konnte schon wissen, was in der nächsten Spielzeit auf der Tagesordnung stand? Beim Abschminken hatte ich plötzlich keine Lust mehr auf den Umtrunk. Sophie, Katrin, all die langweiligen Gesichter, womöglich wagte Konstantin es noch, hier aufzukreuzen. Aber ich hatte es Toni versprochen. Und Bernd. Und eventuell würde es auch ganz lustig werden und mich in die richtige Stimmung für die Late-Night-Veranstaltung mit Oskar versetzen.
Ich gab mir alle erdenkliche Mühe, mich schönzuschminken, und da ich viel Zeit hatte – Toni war noch damit beschäftigt, alle Kostüme ordnungsgemäß aufzuhängen, die Slips einzusammeln und so weiter und so fort –, konnte sich das Resultat sehen lassen.
»Übrigens kommt Henrik«, verkündete Toni, während sie sich ein paar Sicherheitsnadeln zwecks kurzfristiger Aufbewahrung zwischen die Zähne steckte.
»Das sagst du erst jetzt?«
Toni sah mich verwundert an, und als ich von meinem späten Date mit Oskar erzählte, stöhnte sie nur auf.
»Schwanz Numero … tausenddreihundertvier?« zischte sie. »Wieso mußt du bloß immer so übertreiben?«
Ich warf Toni einen bösen Blick zu, und als Katrin als letzte die Garderobe verlassen hatte, sagte ich: »Als ob es mir bloß um Schwänze ginge!«
»Nein. Es geht dir darum, sie zu erobern. Du solltest sie fotokopieren und deine Wände damit tapezieren!«
»Eigentlich hatte ich mich auf einen vergnüglichen Abend gefreut.« Ich beugte mich vor, um die Deckkraft meines Lippenstiftes zu überprüfen. Wenn Toni so weitermachte, würde unsere Freundschaft wirklich noch den Bach runtergehen.
Eine halbe Stunde später stiefelten wir
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