Lügen & Liebhaber
tieferer Tonlage hinzu: »Worauf wartest du eigentlich?«
»Auf Mozart. Und Jesus. Wenn nur einer kommt, ist es schon gut.« Ich kehrte Konstantin den Rücken zu und hoffte, er würde sich verziehen. Nicht daß Oskar mich mit dieser Knalltüte sah und womöglich noch glaubte, ich hätte was mit ihm am Laufen.
Aber Konstantin war eben Konstantin und deshalb auch nicht so leicht abzuwimmeln. Da wir uns seit der denkwürdigen Begegnung im Krankenhaus nicht mehr gesehen hatten, meinteer, mir alles mögliche mitteilen zu müssen. Daß er kurz davor sei, eine Heilpraktikerpraxis aufzumachen, in der ich unbedingt mal vorbeischauen müsse, er würde mich dann auch kostenlos behandeln, außerdem habe er sich verlieb …
»Na, großartig«, unterbrach ich seinen Wortschwall. »Dürfte ich dann jetzt bitte allein herumstehen?«
»Ich fürchte, das geht nicht. Die Straße ist öffentlich, tja …« Er hob die Schultern gleich dreimal hintereinander an und grinste perfide.
Ich stöhnte, stampfte wütend mit dem Fuß auf und lief ein paar Meter Richtung Stephansplatz, wo gerade eine oskarähnliche Gestalt ganz normal in Jeans und Windjacke um die Ecke bog. Zum Glück war es Oskar.
»Laß uns gehen«, rief ich ihm entgegen und zog ihn mit mir fort. Bloß weg von hier.
»Sauer? Bin ich zu spät?«
Ohne einen Ton zu sagen, deutete ich auf die Uhr an der Bushaltestelle, so daß Oskar sich selbst davon überzeugen konnte, wie lange er mich hatte warten lassen.
»Sorry«, murmelte er schuldbewußt, schusterte sich aber zum Glück keine billige Ausrede zurecht. Nach ein paar Metern schweigsamen Marschierens fragte er mich nur, ob er der alleinige Grund für meine Verstimmung sei, und als ich, bockig wie ich war, nicht antwortete, schlug er vor, wir sollten doch nett was trinken gehen, dann könnten wir über alles reden.
Mangels Lokalitäten rund um den Stephansplatz landeten wir an der Uni im »Arkadasch«, dem Laden, in dem neulich noch Adriano vergebens ausgeharrt hatte. Ich bestellte Rotwein und Ouzo und kippte das Zeug abwechselnd in mich rein.
»Was ist bloß los?« Oskar nippte an seinem Bierglas.
»Nichts.«
»Natürlich ist was.«
»Wie könnte ich das mit dir besprechen, wo wir uns fast zwei Jahrzehnte nicht gesehen haben?«
Oskar lächelte. »Vor zwei Jahrzehnten hatten wir uns wirklich nicht besonders viel zu sagen, mh?«
Ich hob mein Ouzoglas und inhalierte das scharf riechende Gebräu.
»Was für eine Meinung hattest du damals eigentlich von mir?« fragte ich, weil ich gerade so schön dabei war, mich voll und ganz meiner schlechten Laune hinzugeben.
Oskar schaute mich besorgt an. »Wollen wir nicht was essen?«
»Du kannst ruhig ehrlich sein.«
»Ein nettes Mädchen, aber …« Oskar tat, als würde er eine kleine Fliege aus seinem Glas entfernen. »Eher nichtssagend.«
Ach so. Nichtssagend. Vielleicht sollte ich jetzt gleich aufstehen und gehen.
»Nimm es bitte nicht persönlich! Ich war ein dummer kleiner Junge, der total in seine Französischlehrerin verschossen war. Was konnte ihm eine flachbrüstige Klassenkameradin da schon bieten?«
Ich sah an mir runter und dachte, jetzt bist du immer noch flachbrüstig, und er … Oskar griff nach meiner Hand und strich mit trockenen, warmen Händen über jeden einzelnen Finger.
»Erzähl mir was von der Tochter«, forderte ich ihn auf. Schon während ich die Frage gestellt hatte, wußte ich, es war ein Fehler. Denn wie jeder andere Vater auch überschlug er sich vor Vaterstolz und machte aus dem Mädchen ein Genie auf dem Xylophon, beim Stützradfahren und beim Legobauen, nur schade, daß er es jetzt nicht mehr täglich zu Gesicht bekam. Eigentlich hatte ich gehofft, Oskar würde bei der Gelegenheit ein paar Worte über die Mutter, seine angebliche Exfrau, verlieren, aber nein, er umschiffte das Thema äußerst galant.
»Du solltest dir auch mal was Schönes anziehen«, wechselte Oskar das Thema, indem er mein H & M-Polo-Shirt befummelte. Erst jetzt bemerkte ich, daß es am Ärmel aufgeplatzt war.
»Bisher konnte ich mir eben keine Designerteile leisten«, giftete ich zurück.
»Ich kenne einen Laden mit schönen Secondhandsachen. Romeo Gigli würde gut zu dir passen. Farben wie Gewürze, Beeren, Erde und Schlamm …«
Ich mußte lachen, aber Oskar blieb ganz ernst und musterte mich. »In der letzten Dries-Van-Noten-Kollektion gab es wunderschöne Sarongs, sonnenwarme Gelbtöne, schmeichelndes Rot … Würde dir auch gut stehen.«
»Wenn ich im Lotto
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