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Lügen & Liebhaber

Lügen & Liebhaber

Titel: Lügen & Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fülscher
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Streicheleinheiten.
    Fast jeden Abend rief ich ihn an und erzählte ihm von meinem mehr oder weniger mißratenen Tag. Karl durfte als einziger wissen, was ich wirklich tat. Ich berichtete von meinem Job im Klamottenladen bei einem namenlosen Arbeitgeber, von meinen verzweifelten und gar nicht halbherzigen Versuchen, Geldzu verdienen. Meine Schulden bei ihm waren auf einmal kein Thema mehr, vielleicht hatte ich ihn mit meinen beständigen Anrufen doch wieder um den Finger gewickelt.
    Ich wollte ihn ja fragen, aber ich traute mich nicht … Ob einer der Herrschaften in der Synchronfirma noch etwas über mich hatte verlauten lassen. Ob ich gut gewesen war, ob man in Erwägung zog, mich erneut zu beschäftigen. Immer wieder machte ich einen Anlauf und brachte meine bereits im Kopf formulierten Fragen doch nicht über die Lippen. Dabei war Karl mein Freund, mein Vertrauter und nach Toni im Moment der wichtigste Mensch in meinem Leben. Ich gab es nicht gern zu, aber ich fürchtete mich vor seiner Kritik. Sylvie, laß es lieber, es gibt wirklich bessere Sprecherinnen als dich – das aus seinem Mund hätte mich mehr gekränkt als die Kritik von irgendeinem Messerschmidt. Zum Glück machte Karl eines Abends den ersten Schritt:
    »Hast du noch mal Martha angerufen?« fragte er, obwohl wir gerade zuvor noch über die Pfannkuchenrezepte unserer Mütter geplaudert hatten.
    »Warum sollte ich?« Eine heiße Welle brach sich in meinem Magen.
    »Wenn du auf einen Folgejob spekulierst …«
    Ich schwieg einen Moment, sagte dann patzig: »Messerschmidt hat gemeint, man würde sich bei mir melden.«
    »Das sagt er immer.«
    Vor lauter Enttäuschung biß ich auf meinen Nägeln herum. Und ich blöde Kuh war auch noch auf so einen Spruch hereingefallen!
    »Du solltest zumindest anrufen, Sylvie.«
    »Was heißt das – zumindest anrufen ?«
    Meine Wut auf die Synchronfirma übertrug sich ganz plötzlich auf Karl. Hätte er nicht mal eher einen Ton sagen können?
    »Am besten kommst du nach Berlin und schaust einfach bei Martha vorbei.«
    »Was ist mit Frau Fromm?« Immerhin war sie mir sehr gewogen gewesen.
    »Gibt’s nicht mehr. Die ganze Dispo macht jetzt Martha.«
    Großer Gott …
    »Wenn sie mich brauchen, sollen sie sich gefälligst mit mir in Verbindung setzen!« sagte ich divenhaft. »Denkst du, ich investiere wegen nichts und wieder nichts einen Batzen Geld?«
    Karl schnaubte in den Hörer. Einmal laut, zweimal leise, dann war nur noch sein flacher Atem zu hören. »Ich glaube, du hast das Business einfach noch nicht begriffen. Ohne Klinkenputzen kriegst du nicht mal den simpelsten Bürojob.«
    Eine Weile sagten wir beide nichts. Ich hielt den Hörer etwas ab und prüfte, ob er noch sauber war. Irgendwann drang Karls Stimme ganz von ferne an mein Ohr. Wortfetzen, irgendein Blabla.
    »Was meinst du, Karl?«
    »Ob es dir wirklich gar nichts bedeutet, mich zu besuchen …?«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Klang aber so.«
    Wieder Pause. Ein derart zähes Gespräch hatten wir noch nie geführt.
    »Überleg’s dir, Sylvie«, meinte Karl schließlich. »Übrigens wartet hier eine Überraschung auf dich.«
    »Das Bild?«
    »Vielleicht …«
    Ich stellte mir vor, wie Karl am anderen Ende der Leitung lächelte. Wahrscheinlich saß er bei geöffneter Terrassentür und schaute über die Dächer Berlins.
    »Okay, ich denk drüber nach.«
    Karl schickte mir ein versöhnliches Küßchen durch die Leitung, und ich küßte vorm Auflegen vorsichtshalber zurück. Man wußte ja nie …
    *
    Zwei Tage später hatte ich mich entschieden: Ich würde fahren. Frühestens nach den beiden noch anstehenden Aida-Vorstellungen, spätestens in ein paar Wochen, wenn ich bei Oskarso viel verdient hatte, daß ich mir zumindest die Fahrkarte leisten konnte.
    Toni fand es ziemlich daneben, daß ich bei Oskar jobbte. Männerklamotten verkaufen – und das mit Magister in der Tasche. Und warum ich im übrigen nicht an der Oper nachfragte? In der Garderobe würden doch immer Aushilfen gesucht.
    »Und was ist am Kostüme-auf-Bügel-Hängen besser?« hatte ich geantwortet.
    »Wir könnten zusammen arbeiten. Ein bißchen quatschen. Mit Sicherheit hätten wir viel Spaß.«
    Das war natürlich ein Argument, aber erstens würde Toni demnächst sowieso in der Solistengarderobe anfangen, und zweitens arbeitete ich bei Oskar schwarz.
    Eines Abends, nach einer gelungenen Aida-Vorstellung, ging bei mir das Telefon: »Skip hier. Weißt du, was? Ich stehe genau in der

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