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Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition)

Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition)

Titel: Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Bosbach , Jens Jürgen Korff
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Zu netten, friedfertigen Leuten wird die Streife halt nicht gerufen. Ich dagegen unterrichtete damals an einer weiterführenden Privatschule. In dieser Umgebung und auch vorher schon an der Kölner Universität oder unter den Ministerialbeamten der damaligen Bundeshauptstadt Bonn waren mir nur höchst selten die raueren Seiten der Wirklichkeit begegnet, die der Polizistin täglich Brot waren. Auch unterschiedliche gesellschaftliche Aufgaben spiegelten sich in unserem Streit wider: Die Polizistin hat die Aufgabe, »böse« Menschen zur Räson zu bringen, der Lehrer soll hingegen die »guten« Seiten der Schülerinnen und Schüler erkennen und fördern.
    Unsere Urteile werden stark von dem kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit geprägt, den wir jeden Tag erleben. Vor allem, wenn es im Kindesalter schon damit beginnt!
    Das alles sind typische Fälle von vorsortierten Stichproben. Da wir nicht alle knapp 7 Milliarden Menschen fragen können, ob sie sich für Fußball interessieren, ziehen wir eine Stichprobe: Wir fragen 20 Menschen und glauben intuitiv oft, dass deren Einstellung repräsentativ für alle sei (oder zumindest für die 80 Millionen Deutschen). Darrell Huff macht die richtige Anwendung der Methode in seinem Buch an folgendem Beispiel klar: Wir haben ein großes Glas mit weißen und roten Bohnen und wollen wissen, wie viele davon weiß und wie viele rot sind. 1 Da die wenigsten Lust haben, stundenlang alle Bohnen (die Grundgesamtheit, wie die Statistiker sagen) durchzuzählen, nehmen wir eine Stichprobe, nämlich eine Handvoll Bohnen heraus, zählen die ab und übertragen das Mengenverhältnis, das wir dort gefunden haben, auf das ganze Glas – in der
meist unbewussten Hoffnung, dass sich die weißen und roten Bohnen gleichmäßig im Glas verteilt haben.
    Genau das ist bei unserer Auswahl von Menschen aber in der Regel nicht der Fall. Gelb-schwarze Bohnen (sprich: die Fans von, sagen wir, Alemannia Aachen), goldene Bohnen (die Fans der deutschen Börse) oder auch blaue Bohnen neigen dazu, sich an bestimmten Stellen im Glas heftig zu knubbeln – und wenn man seine Stichprobe genau an solchen Stellen zieht, dann betrügt man sich selbst. Solche Stichproben sind vorsortiert, das heißt: Nicht jede Bohne im Glas hatte die gleiche Chance, in diese Stichprobe hineinzukommen. Deshalb kommt Huff zu dem Fazit: »Es ist eine bittere Wahrheit, dass Schlüsse aus zu kleinen oder einseitig gewählten Stichproben hinter vielem stecken, was wir lesen oder zu wissen glauben.« Daran hat sich leider auch 50 Jahre später noch wenig geändert.
    Aber was hat es nun mit den allzu früh verblichenen Piloten auf sich? Walter Krämer erzählt die Geschichte in seinem Buch: 2 1990 meldete die Times in London, 60 Prozent aller Piloten der zivilen Luftfahrt stürben vor dem 65. Lebensjahr. Das war etwas gewagt formuliert; in Wirklichkeit waren 60 Prozent der aktiven und ehemaligen Piloten, die im Vorjahr gestorben waren, noch keine 65 Jahre alt gewesen (was etwas anderes ist als die Behauptung, 60 Prozent der noch lebenden Piloten würden voraussichtlich sterben, ehe sie 65 geworden sind). Woher kam aber dieser hohe Anteil an relativ jung Verstorbenen? Man stellte allerhand Untersuchungen an und fand schließlich eine Ursache, die so simpel und unspektakulär war, dass es schwerfiel, sie bekanntzugeben: 1989 gab es einfach nur wenige Piloten, die älter waren als 65. Das hat wiederum historische Gründe. Die zivile Luftfahrt gibt es noch
nicht so lange. In den 1930er- und 1940er-Jahren kam sie mit wenig Piloten aus. Um 1960 wurde sie in Europa stark ausgebaut, und es wurden viele junge Piloten ausgebildet und eingestellt. Diese Piloten der zweiten Stunde, wenn man so sagen will, waren 1990 im Schnitt 60 bis 65 Jahre alt; aus dieser Gruppe kamen die meisten, die 1989 gestorben waren.
    Genau genommen war hier nicht die Stichprobe vorsortiert, sondern die Grundgesamtheit aller Piloten hatte um 1990 eine andere Altersstruktur als die männliche Gesamtbevölkerung: Es gab in ihr nur sehr wenige Männer über 65. Auf den ersten Blick erscheint es paradox, dass eine Bevölkerungsgruppe, die jünger ist als der Durchschnitt, eine höhere Sterberate zu haben scheint. Das hat sie auch gar nicht. Die Statistik betrachtete nämlich nur diejenigen Piloten, die im Vorjahr tatsächlich gestorben waren, und stellte fest, dass diese zum großen Teil relativ jung waren. Über die Sterbewahrscheinlichkeit der noch lebenden Piloten sagt das überhaupt

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