Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition)
nichts aus.
Hier müssen wir jedoch auf eine wichtige Feinheit hinweisen: Wir behaupten nicht, dass Piloten keinen Risiken ausgesetzt sind, die zu einem durchschnittlich früheren Tod führen können. Wir sagen nur: Aus der untersuchten Stichprobe ist der Schluss unzulässig. Will man eine solche Vermutung wirklich beweisen, muss man die Sache genauer untersuchen und etwa die Sterberate von Piloten mit der von Nichtpiloten gleichen Alters vergleichen. Würde sich dann ergeben, dass in der Gruppe von 60- bis 65-jährigen Piloten 3 Prozent, in der gleichaltrigen Gesamtbevölkerung aber nur 0,5 Prozent sterben, dann hätten wir einen klaren Hinweis auf zusätzliche Risiken bei Piloten.
Diese Feinheit in der Schlussfolgerung ist wichtig, wird aber oft übersehen. Dazu noch ein weiterer Fall aus meiner
persönlichen Erfahrung. In den Jahren 2001 und 2002 hatten wir an der Fachhochschule Ansbach 50 chinesische Gaststudierende. Und allzu oft mussten sich unsere einheimischen Studenten von den Kollegen den Hinweis gefallen lassen, dass asiatische Studierende fleißiger seien. Auch bei mir in Mathematik und Statistik schnitten sie deutlich besser ab als der Durchschnitt – viel mehr Punkte bei der Klausur bei deutlich weniger Papierverbrauch! Trotzdem habe ich meinen Studierenden diesen ungerechten Vergleich erspart, da der Fehler eigentlich offensichtlich war. Hier wurden deutsche »Normalos« mit der Elite von China verglichen. Wer kommt denn zum Studium nach Deutschland? Eine Auswahl der Besten des Landes, die sich zusätzlich noch zutrauen, in einer völlig anderen Sprache und Schrift ein Studium zu absolvieren. Und die sind halt besser als der deutsche Durchschnitt. Ob Asiaten tatsächlich fleißiger oder klüger sind, müsste durch den Vergleich gleichartiger Gruppen belegt werden. Am besten asiatische »Normalos« gegen deutsche »Normalos«. (Ein Vergleich der Spitzengruppen birgt wieder zusätzliche Gefahren der Verzerrung!)
Da wir gerade bei Fehlschlüssen in Hochschulen sind:
Meine Geschichte von den neuen Hochschulen , die anfangs besonders gut sind und dann langsam immer schlechter werden, geht folgendermaßen: Im Jahr 2003 trug der Dekan meines Fachbereichs in Remagen voller Sorge die Zahlen des Prüfungsamts vor: Seit vier Semestern sinkt die Durchschnittsnote unserer Diplomanden bei gleichzeitig wachsender Semesterzahl bis zum Abschluss. Und alles ganz gleichmäßig. Jedes Semester ist wieder etwas schlechter als das Vorsemester. Wurden die Studierenden schlechter? Waren die neu hinzugekommenen Professoren so scharfe Hunde? War die Geduld der altgedienten Lehrenden mit den Studis langsam aufgebraucht?
An den äußeren Faktoren konnte es eigentlich nicht liegen: Die Vorlesungsräume wurden fertig, der Baulärm nahm ab, die Bibliothek füllte sich mit moderner Fachliteratur, das Rechenzentrum hatte seine Anlaufprobleme in den Griff bekommen.
Ich selbst war damals erst seit einigen Monaten als Professor an dieser Fachhochschule, von der Dienstzeit aus gesehen also noch grün hinter den Ohren. Da konnte ich dem alten Hasen doch nichts über die Entwicklung der letzten vier Semester erzählen. Außerdem war der Hinweis auf die neuen scharfen Hunde ja vielleicht auch auf mich gezielt. Ich dachte mir also: Saach nix! Lieber erst mal ruhig beobachten. Doch schließlich wurde so unerträglich wild spekuliert, dass ich mich dennoch zu Wort meldete. Ich gab zu bedenken, ob es sich dabei nicht um ein rein statistisches Artefakt handeln könne, also um ein »Phänomen«, das erst durch die Art und Weise der statistischen Datenerhebung entstanden ist.
Ungläubiges Staunen im Saal – bis ich erzählte, was ein paar Jahre zuvor an der Fachhochschule Ansbach passiert war: Diese FH wurde als beste Bayerns aufgeführt, da die Studierenden im Schnitt nur 8,0 Semester bis zum Diplom brauchten. Auffällig war, dass die Zahl genau 8,0 war. Da wird der erfahrene Statistiker hellhörig, denkt nach und erklärt die Ursache: Die Fachhochschule Ansbach war erst vier Jahre zuvor gegründet worden. Es konnte damals also noch gar keine Absolventen geben, die länger als acht Semester – die Mindeststudienzeit – studiert hatten. In den späteren Semestern kamen dann immer mehr Absolventen hinzu, die neun, zehn oder mehr Semester gebraucht hatten – die Studiendauer stieg also kontinuierlich. Der erste Jahrgang von Absolventen bestand ausschließlich aus Studierenden, die es geschafft hatten, ihr
Studium innerhalb der
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