Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition)
bis März 2003 auf den Tiefststand
von 2203 Punkten ab. Es folgte eine rasante und kontinuierliche Erholung. Im Juli 2007, anderthalb Monate vor dem Stichtag der Finanztest-Bewertung, erreichte er einen neuen Höchststand von 8106 Punkten. Klar, dass sich Geld, das um 2003 auf dem Aktienmarkt angelegt wurde, außerordentlich gut verzinst hat. Die Frage ist hier sogar, wieso an die Fondskunden nur 9 Prozent weitergereicht wurden. Wer hat den Rest kassiert?
Datenquelle: Deutsche Börse
DAX-Kurs Mitte 1999 bis Ende 2009
Finanztest hat einen außergewöhnlichen, zeitlich begrenzten Trend einfach für weitere 35 Jahre fortgeschrieben – wie ein Wanderer, der in dem Moment, wo die Sonne wieder durchkommt, den Regenschirm wegwirft, weil er glaubt, dass es von nun an nie mehr regnen wird. Doch die Druckerschwärze des Testberichts war kaum trocken, als die Finanzmarktkrise begann und das ganze Werk zu Makulatur machte.
Kapitel 13
Die bösen Armen
Im 18. und 19. Jahrhundert galt Armut in vielen Ländern als eine Art Verbrechen. Wer arm war, war nicht nur selber schuld an seinem Schicksal, sondern versündigte sich auch an der Gesellschaft. Deshalb sperrte man vor allem in England und in Norddeutschland Bettler, Landstreicher, Prostituierte, Alkoholiker und Waisenkinder in sogenannte Arbeitshäuser, in denen sie bei äußerst mangelhafter Ernährung zur Zwangsarbeit gezwungen wurden. Charles Dickens beschrieb in seinem Roman Oliver Twist eindrucksvoll die Qualen und die Erniedrigung eines aufgeweckten Jungen, der unter solchen Umständen aufwachsen musste, weil seine mittellose Mutter bei seiner Geburt gestorben war.
Exkurs: Gespräche über den Kult der Zahl
In diesem Kapitel wechselt die Perspektive: »Ich« ist hier der Historiker und Politologe Jens Jürgen Korff. Als solcher stelle ich einigen Zeitgenossen ein paar Fragen über die Rolle, die Zahlen in ihrem Denken spielen. Auch historische und fiktive Personen kommen zu Wort. Ich möchte herausfinden, ob es so etwas gibt wie einen Kult der Zahl. Sind Zahlen etwas Heiliges?
JENS Gerd, du bist Mathematiker. Statistik ist ein Teilgebiet der Mathematik. Was bedeutet die Mathematik für dich? Was ist ihr Wesenskern?
GERD Mathematik ist vor allem eine Hilfswissenschaft, die wir brauchen, um
messbare Aspekte unserer physischen Umwelt festzuhalten und auszuwerten,
natürliche Prozesse wissenschaftlich zu beschreiben,
technische Geräte und Prozesse zu planen,
den Warenaustausch (Handel) zu organisieren,
knappe Ressourcen zu verwalten und
uns über wirtschaftliche Zusammenhänge klarzuwerden.
Auch wenn wir bestimmte Zustände in Politik und Gesellschaft untersuchen und beschreiben wollen, kommen wir ohne Hilfsmittel wie Addition und Prozentrechnung, aber auch Komplizierteres nicht aus.
JENS Warum glauben wir an Zahlen? Diese Frage habe ich im Juli 2009 im Internetforum wer-weiss-was.de gestellt. Eine Antwort des Teilnehmers »Scrabz« passt hierhin.
SCRABZ Meines Erachtens müssen hauptsächlich Wissenschaftler mit Zahlen umgehen, und Dinge, die sie bearbeiten, statistisch untermauern. Dazu müssen sie, wenn sie etwas Ernstzunehmendes veröffentlichen wollen, ihre Zahlen und ihre Statistik mit angeben. Inklusive Fehlerrahmen, Hintergrundannahmen, Null-Hypothese und Selbstkritik.
Die Menschen neigen dazu, aus einer zu geringen Stichprobenmenge Aussagen abzuleiten. Unser Gefühl sagt uns oft schon nach sehr wenigen untersuchten Fällen, dass wir eine bestimmte Aussage treffen können oder nicht. Statistik versucht … genauer zu sagen, ob man anhand eines bestimmten Datensatzes eine bestimmte Aussage machen kann. In streng wissenschaftlichen Arbeiten braucht man also Statistik, das heißt Zahlen, um zu belegen, dass man die behauptete Aussage machen darf. Oder auch nur, um zu belegen, dass man mit einer Aussage nicht ganz falsch liegt.
JENS Gibt es auch Phänomene, bei denen sich die Zahlen nicht mit einer Rolle als bloße Werkzeuge zu friedengeben; bei denen sie sich in den Vordergrund drängen und zum Selbstzweck werden?
GERD Ja, aber es sind nicht die Zahlen selbst, die das tun, sondern Menschen, denen bestimmte Zahlen vielleicht zu sehr zu Kopf gestiegen sind. Ich denke etwa an die Lottozahlen: Jeden Samstagabend starren Millionen von Menschen auf ihren Fernseher, der in diesen Minuten nichts anderes zeigt als einen Haufen Kugeln, auf denen Zahlen stehen.
Oder die Börse: Tausende bestens bezahlter Fachleute starren den ganzen Tag auf Bildschirme, die
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