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Luegenherz

Luegenherz

Titel: Luegenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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Schramme ab, deshalb muss man ja auch den Anzug anziehen.« Sie putzt sich wieder ihre Nase. »Ich habe versucht, mit meiner Mutter zu reden, doch die hat das Ganze abgetan. Und zur Krönung noch die Frage in den Raum gestellt, ob ich ihn nicht provoziert hätte. O-Ton meine Mutter! Aber eigentlich war sie davon überzeugt, dass ich mir alles nur eingebildet oder sogar komplett ausgedacht habe. Ich würde mich zu wichtig nehmen, hat sie gesagt.« Milas Gesicht verzieht sich zu einer Fratze, dann deklamiert sie mit einem kalten bösen Ton: »Nicht die ganze Welt dreht sich um dich, Mila!«
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Was ist das nur für eine schreckliche Mutter? Will wegen einer Lappalie Selbstmord begehen, aber glaubt ihrer Tochter nicht, dass diese missbraucht worden ist! Ich bin sicher, so bescheuert Mams auch ist, sie würde mir bedingungslos glauben und extrem wütend werden, wenn ich ihr so etwas anvertrauen würde. Sie ist Anwältin und hätte den Landgraf richtig fertiggemacht.
    »Aber es ist nicht okay, dass er damit durchkommt.«
    Mila zuckt mit den Schultern und wiederholt mit der gleichen Stimme: »Nicht die ganze Welt dreht sich um dich …«
    Eine kurzen Moment lang überlege ich, ob Mams mir wirklich zuhören würde oder ob das nur so ein Wunschgedanke von mir ist. Nein, entscheide ich, sie wäre froh, wenn ich überhaupt mit ihr reden würde. Sie würde sofort die ganze Polizei aufmischen, wenn nötig die teuersten Anwälte einkaufen, einen Riesenwirbel machen und mein Leben damit komplett ruinieren – aber ganz sicher auch das von Landgraf.
    »Und er muss trotzdem bestraft werden!«
    Mila entspannt sich etwas. »Du bist echt süß, Ally. Glaub mir, in meinen Träumen habe ich ihm schreckliche Dinge angetan. Doch wie sollte man im echten Leben einen wie den schon drankriegen?«
    »Keine Ahnung, aber es muss doch einen Weg geben.« Ich stelle meine alte Espressokanne und einen Topf auf den Herd. »Wir brauchen einen Kaffee und wir brauchen einen Plan. Meine Oma, die mit dem Kino, hat behauptet: ›Es gibt immer einen Weg.‹«
    Mila lacht. »So eine Oma hätte ich auch gern gehabt.«
    »Na ja, sie hat ihr Kino trotzdem verloren, die Leute mochten keine alten muffigen Programmkinos. Oma hat nicht kapiert, dass die Zeit für Popcorn-Kinocenter gekommen war. Kurz nachdem sie das Kino in der Türkenstraße verkaufen musste, ist sie gestorben.« Ich fülle Kaffeepulver in die Kanne und Wasser und schalte den Herd ein.
    »Oh, das tut mir leid.«
    Jetzt drehe ich mich um und lache Mila an: »Da war sie achtzig Jahre alt. Nein, im Ernst, Oma hatte trotzdem recht. Immer, wenn ich einen Plan habe, dann wird es auch was.« Ich hole die Milch aus dem Kühlschrank, schütte sie in den Topf und lege den Schneebesen bereit.
    »Manche Pläne scheitern trotzdem, es kommt immer irgendwie anders, als man denkt.« Mila wird richtig laut. »Viele Sachen kann man nicht planen!«
    Gerade will ich ihr widersprechen, als mir einfällt, dass Mila ja auch ohne einen Plan in mein Leben gekommen ist, einfach so. »Hmm, ja, das stimmt. Manchmal gibt es aber auch Geschenke, da kriegt man etwas, ohne dass es geplant gewesen wäre.«
    Mila reißt ihre Augen auf und blitzt mich an. »Glaubst du, der Landgraf war ein Geschenk für mich, oder was?«
    Verdammt noch mal, warum ist es nur so schwer, sich zu unterhalten? Andauernd kann man falsch verstanden werden.
    »Nein, natürlich nicht, das meinte ich nicht«, versichere ich ihr hastig. »Ich meinte dich! Du warst ein Geschenk für mich, bist einfach so in mein Leben reingeschneit. Oder hatte da vielleicht doch jemand einen Plan?«
    Mila kommt näher, greift nach dem Schneebesen und schlägt wie eine Verrückte auf die dampfende Milch ein. »Wie meinst du denn das?«
    »Keine Ahnung – Gott, das Schicksal oder die Erinnyien.« Der Espresso steigt laut gurgelnd nach oben und ich hole zwei Latte-macchiato-Gläser, um ihn einzuschenken.
    Mila schüttet sich fünf Löffel Zucker in ihr Glas, ich zwei, dann setzen wir uns an meine Werkbank und schlürfen schweigend den Kaffee.
    Jetzt erst, nachdem ich sitze, merke ich, wie erschöpft ich bin. Wie hat Mila das nur alles ausgehalten? Und obwohl ich es nicht will, schiele ich auf ihren vernarbten Arm, auf dem die Binde klebt. »Wolltest du dich denn nie an ihm rächen?«
    Mila verschluckt sich fast an ihrem Kaffee, ich reiche ihr eine Serviette.
    »Natürlich wollte ich das.« Sie seufzt. »Aber alles, was mir eingefallen ist,

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