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Luegenherz

Luegenherz

Titel: Luegenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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ihn im Tambosi am Hofgarten gesehen, wie er sie geküsst hat, und sie war auch einen Kopf größer als er und es hat ihn nicht die Bohne gestört. Er hat sie dermaßen lange abgeknutscht, dass es nicht nur mir aufgefallen ist, sondern auch andere Gäste im Café haben zu tuscheln angefangen. Doch das behalte ich lieber für mich. Seit Tom so verständnislos und kalt reagiert hat, habe ich niemandem mehr die Wahrheit erzählt. Nicht, dass ich mich bei Ally noch verplappere. Irgendwie hat sie es drauf, mir viel mehr zu entlocken, als ich es geplant habe. Ich glaube, das liegt daran, weil sie mich wirklich mag, und ich schätze mal, wenn sie jemanden in ihre Auster reingelassen hat, dann wird da ’ne Perle an Freundschaft draus. Schluss jetzt mit dem Grübeln, Mila, ermahne ich mich, als Ally mit hochgezogenen Schultern vor mir steht. Sie muss überzeugt werden, dass sie die Richtige ist.
    »Du bist sehr hübsch und ich glaube kaum, dass der Landgraf sich um deine Größe scheren wird.« Mehr nicht, bloß nicht mehr sagen.
    »Nur mal angenommen, also, ich meine wirklich nur rein theoretisch, Landgraf würde sich mit mir einlassen – wie stelle ich das denn überhaupt an?« Ally schüttelt sich. »Höhlenklettern kann ich nicht und will ich auch nicht. Eher sterbe ich.«
    »Das kommt auch gar nicht infrage«, protestiere ich, »das wäre viel zu gefährlich.«
    Sie sieht erleichtert aus. Mist. Ich war doch schon so nah dran. Ich muss noch mal deutlich machen, um was es hier geht.
    »Denn wenn er dich so grauenhaft vergewaltigen würde wie mich, dann wäre auch mein Leben vorbei. Dann wäre alles aus.« Und weil ich das so bitterernst meine, ersticke ich fast an meinen Worten und klinge bemitleidenswert.
    Ally schaut mich prompt entsetzt an und legt ihre Hand zart auf meinen Arm. »So weit wird es niemals kommen. Wir brauchen doch bloß ein paar verdächtige Fotos, zusammen mit meiner Aussage ist das doch schon genug, oder?«
    Nein, denke ich, wir brauchen auch blaue Flecke und Kampfspuren und DNA-Beweise von einem Arzt, aber alles zu seiner Zeit. »Du hast recht, so weit muss es nicht kommen. Aber der Typ ist gefährlich, wir sollten nicht glauben, dass wir alles unter Kontrolle haben.«
    Sie dreht sich vom Waschbecken zu mir um und wischt die nassen Hände an ihrer Hose ab. Ally muss sehr aufgeregt sein, sie benutzt sonst in ihrer total pingeligen Art immer nur das dafür vorgesehene Handtuch. »Ich habe Pfefferspray, das hat mir mein Bruder geschenkt, weil ich doch jetzt hier allein im Erdgeschoss lebe.«
    »Pfefferspray?! Mann, Ally, das wird kein Spiel«, sage ich und muss mich beherrschen, sie nicht anzuschreien. Ally ist trotz ihrer Coolness manchmal dermaßen naiv, grauenhaft.
    »Ist mir klar. Aber wie kriege ich ihn überhaupt dazu, sich mit mir zu verabreden?« Sie kommt wieder zu mir und setzt sich an die Werkbank.
    »Das ist doch das Allereinfachste. Er hat dich beleidigt. Ruf ihn an, sag ihm das mit den Epiliereren …«
    »Epigonen«, wirft Ally ein. Wir starren uns an und müssen beide lachen.
    »Wie auch immer, sag ihm, du bist vollkommen fertig, und bitte ihn, dir zu helfen.«
    »Und was dann?«
    »Dann geht ihr einen Kaffee trinken, du himmelst ihn an, fragst ihn nach den Höhlen …«
    Sie schüttelt sich, als hätte ich vorgeschlagen, Spinnen über ihren nackten Körper kriechen zu lassen. »Hey, ich geh in keine Höhle mit dem, ist das klar?«
    Ich nicke, merke, dass sie sich wieder von mir entfernt. Oh Mann, das ist echt eine knifflige Sache. Ein falsches Wort und schon steht die ganze Sache auf der Kippe. Ich darf sie nicht drängen, aber ich muss ihr noch mal klarmachen, wie mies der Landgraf wirklich ist.
    »Der Typ ist übrigens verheiratet und ich schätze mal, auch seine Frau hat keine Ahnung, was für ein Monster da abends neben ihr im Bett liegt.«
    Ally schüttelt sich bei dem Gedanken. »Hat der Landgraf auch Kinder?«
    »Ja, einen Sohn, glaube ich«, sage ich so lässig, als wäre mir der vollkommen egal. Dabei weiß ich alles über Benjamin. Er ist sechs Jahre alt, Torhüter im Fußballverein und ist abartig süß, aber das alles darf ich Ally auf keinen Fall sagen, denn das könnte ihr merkwürdig vorkommen.
    Ally löst ihren Zopf auf und ich sehe zum ersten Mal, wie lang ihr prächtiges blondes Haar wirklich ist. Bisher hat sie sogar mit dem Zopf geschlafen. Sie geht zum Waschbecken und bürstet ihr Haar mit ungeduldigen Strichen, sie erinnert mich an Rapunzel. Eine genervte Rapunzel.

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