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Luegenherz

Luegenherz

Titel: Luegenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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Weil ich nicht viel Zeit habe, fahren wir zum Angerloch in der Nähe vom Walchensee, das ist nicht so weit und die Höhle ist auch nicht sonderlich anspruchsvoll.«
    Ich beiße mir auf die Lippen, um ein freudiges Grinsen zu unterdrücken, weil das nämlich bedeutet, dass Mila dort gut hinkommen kann. Sie hat den Führerschein mit siebzehn gemacht, um ihrer Mutter beim Blumenausliefern helfen zu können, und darf in Begleitung Erwachsener Auto fahren. Aber manchmal fährt sie heimlich auch ohne ihre Mutter herum.
    »Wir testen das Ganze dort aus und dann werden wir ja sehen, was passiert. Ich bringe die Ausrüstung mit – Sie brauchen einen Schlaz, einen Helm, Seile, eine Lampe. Ich hoffe, Sie besitzen wenigstens gute Wanderschuhe oder Gummistiefel und strapazierfähige Handschuhe.«
    »Klar.« Natürlich ist auch das gelogen, aber diese Sachen kann ich mir besorgen. Lügen ist verdammt anstrengend. Meine Beine zittern, als wäre ich eine steile Klamm hochgekraxelt. Und in meinem Magen grummelt es, als hätte ich etwas Schlechtes gegessen.
    »Klettern ist ein guter Ausgleich für die gekrümmte Arbeitshaltung am Goldschmiedetisch. Na ja, das werden Sie schon noch sehen.« Jetzt grinst er mich an. »Und das Höhlenklettern ist eine ganz besonders intensive Variante. Ich habe dort meine besten Ideen.« Er zwinkert mir zu. »Sie wissen schon, wie Dr. Jekyll und Mr Hyde.«
    Ich schaffe es, ihm zuzulächeln, aber dabei wird mir endgültig schlecht.
    Auf was habe ich mich da nur eingelassen?
    Will ich wirklich Mr Hyde begegnen?
    Ganz allein in einer Höhle?

13. Mila
    Das ist nicht dein Ernst!« Übermorgen schon, bis dahin brauche ich unbedingt ein Teleobjektiv, sonst komme ich nicht nah genug an Ally und Landgraf ran. »Hast du dir das auch gut überlegt?«
    Ally nickt mir freudestrahlend zu, als hätte sie einen Preis gewonnen. Ich kann nicht anders, als zurückzulächeln, und dabei spüre ich fast so etwas wie ein schlechtes Gewissen, und das wiederum macht mich so wütend, dass ich sie am liebsten schlagen würde.
    Ich will nicht darüber nachdenken, ob es fair ist, sie da mit reinzuziehen. Mich hat auch keiner gefragt, ob ich es fair finde. Außerdem hat sie alles, was ich nicht habe. Sie lebt doch in einem Schlaraffenland, wo ihr die gebratenen Tauben in den Mund fliegen. Und da sind Menschen, die sich um sie kümmern, und sie hat diesen gar nicht so üblen Bruder.
    Ich zwicke mich in den Arm, um mich zu beruhigen.
    Ally sieht es und ihr Gesicht nimmt wieder so einen blöden Ausdruck an, eine Art Hundeblick, der zwischen »Die arme Mila« und so was wie »Hab dich lieb« hin und her wechselt – wie eine dieser 3-D-Postkarten, die je nach Lichteinfall mal eine züchtig angezogene und dann wieder eine nackte Frau zeigen. Dieser Blick macht mich rasend.
    Ich zwicke mich härter, um cool zu bleiben. Und dann erst kapiere ich, was los ist. Sie glaubt, ich mache das, weil das alles zu viel für mich ist, weil sie gegen meinen Willen Landgraf angeheizt hat. Gut. Sie soll sich schuldig fühlen. Ich lasse los, der nachlassende Schmerz entspannt mich ein bisschen und ich schaffe es, ihren Blick ohne Zorn zu erwidern.
    »Wir brauchen Fotos«, erkläre ich ihr, »auf denen es so aussieht, als würde er dich umarmen oder küssen oder sonst wie berühren.«
    Ally presst die Lippen aufeinander. »Mila, wie wirst du es nur schaffen, diese Bilder zu machen? Kannst du es wirklich aushalten, wenn die Erinnerungen an … an damals wieder hochkommen?«
    Ich tue so, als würde ich nachdenken. Und da kommt mir angesichts dieses Mitleidsblicks von eben eine Idee. Ich gehe zu ihr und lege meine Arme um Allys nackte Schultern. Ihr dünnes Shirt ist feucht von der Hitze und in ihrem Nacken kräuseln sich ein paar Haare zu Locken.
    Ally läuft schwallartig rot an, als meine Hände die weiche Haut ihrer Oberarme berühren, und zuckt leicht zurück. Aber ich presse mich fester an sie, dann flüstere ich ihr ins Ohr – und mir ist vollkommen klar, dass mein warmer Atem ihren zarten Hals kitzeln wird. »Ally, ich bin so glücklich, dass du mir geglaubt hast und dass du mir helfen wirst, ihn dranzukriegen. Das ist wie Balsam für meine Narben, für mein Herz.«
    Ziemlich geschwollenes Zeug, aber ich sehe, wie sie überall Gänsehaut bekommt. Ich muss nur kurz an Carolina denken und schon fällt es mir leicht, auf diese Tour weiterzumachen. Ich streiche mit beiden Handrücken über ihre Wangen, erzeuge mehr Gänsehaut. »Das Einzige, was mir

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