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Luegenherz

Luegenherz

Titel: Luegenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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weiter.«
    Sie stürmt zu ihrer Truhe, holt Handtücher und Decken heraus und packt alles zusammen. Während sie nach einer Tasche sucht und hektisch hin- und herläuft, fällt mein Blick auf das kleine Fenster. Entsetzt schnappe ich nach Luft.
    Das kann ja wohl nicht wahr sein! Was macht der denn hier? Er wird alles verderben!
    Auf gar keinen Fall darf Ally ihn sehen und erst recht niemals mit ihm reden. Ich muss sofort reagieren, bevor es zu spät ist.

14. Ally
    Verdammt!«, zischt Mila, dann stürmt sie plötzlich aus meiner Garage, als wäre sie auf der Flucht vor tausend hungrigen Werwölfen.
    Vor lauter Schreck fällt mir die Korbtasche aus der Hand, dann renne ich hinter ihr her und sehe gerade noch, wie sie einen Typen Richtung Tor zerrt, ja fast schon prügelt und dabei unablässig brüllt.
    »Hau bloß ab, du blöder Spanner, oder wir holen die Polizei. Mach, dass du wegkommst, und lass dich hier nie wieder blicken!«
    Der Typ redet beschwichtigend auf sie ein, aber Mila ignoriert alles, was er sagt, und trommelt mit ihren Fäusten auf seine Brust. Im Vorderhaus reißen ein paar Nachbarn schon ihre Fenster auf und schauen zu uns herunter.
    Ich laufe zu Mila, die dem Kerl gerade den letzten Stoß zum Tor hinaus gibt.
    »Aber …«, murmelt der Typ, der nur etwas größer ist als Mila und gar nicht bedrohlich auf mich wirkt, sondern eher verwirrt. Als könnte er nicht glauben, was da gerade mit ihm passiert. Er sagt etwas, das sich wie »Milamilamilamila« anhört, aber vielleicht täusche ich mich auch.
    »Halt den Mund! Das war eindeutig, da gibt es nichts zu erklären, du elender Spanner! Und wage es ja nicht, hier jemals wieder aufzukreuzen. Wenn wir dich noch mal hier erwischen, dann holen wir die Polizei, ist das klar?«
    Sie gibt dem Typ einen letzten Schubs und wirft das Eisentor krachend hinter ihm ins Schloss. Ich beuge mich über die hüfthohen schwarzen Eisenstangen und schaue ihm hinterher. In einiger Entfernung bleibt er stehen, dreht sich zu mir um und hebt die Arme zur Seite, als wollte er mir damit irgendetwas sagen.
    Was mich wundert, ist, dass er sich nicht stärker gewehrt hat. Mila ist so klein und zierlich und sein Körper wirkt muskulös und gut durchtrainiert. Oder hat er klein beigegeben, weil er schon mehr auf dem Kerbholz hat und verhindern wollte, dass wir die Polizei holen?
    Mila beugt sich keuchend neben mir übers Tor. »Wieso steht der denn immer noch da rum? Der hat Nerven!«
    Sie zeigt ihm den Stinkefinger. Wenn sie so wütend ist, leuchten ihre Augen und ihr ganzer Körper steht unter Spannung, wie kurz vor einer Explosion. Sogar ich halte die Luft an, als könnte ich damit verhindern, dass ihr Zorn auf mich überschwappt.
    Der Typ aber zuckt nur mit den Schultern, dreht sich um und geht davon, sehr langsam, als wollte er uns damit sagen, dass wir ihm den Buckel runterrutschen können. Einen kurzen Moment habe ich Angst, dass Mila dieses langsame Davonschleichen zu etwas ganz Unkontrolliertem bewegen könnte.
    »Bist du okay?«, fragt Mila so zittrig, als hätte sie mich in letzter Sekunde davor gerettet, von einem Laster überfahren zu werden.
    »Klar – und du?«
    »Du musst besser auf dich aufpassen, Ally! Ich hatte irgendwie den Eindruck, der Kerl würde sich hier bestens auskennen. Ich hab ihn erwischt, wie er durch dein Fenster gestarrt hat.«
    Mein Bruder hat dasselbe behauptet. Komisch, dass ich das nicht selbst gemerkt habe. »Hatte der Typ eine Baseballkappe auf?«
    Mila reißt ihre Augen auf. »Wie kommst du darauf?«
    Ich überlege kurz, ob ich ihr das mit Jury verraten soll, aber ich habe nicht die geringste Lust, dass sich Mila und Jury verbrüdern, nur um die lebensunfähige Ally zu beschützen.
    Keine Ahnung, warum, aber mir kam die ganze Szene eben gerade komisch vor und das, obwohl ich Angst hatte. Und wenn ich darüber nachdenke, warum ich Angst hatte, dann wird mir ganz mulmig, denn ich hatte keine Angst, dass Mila etwas passiert, sondern davor, was Mila tun könnte.
    Opfer war nie das richtige Wort, um Mila zu beschreiben. Oder doch? Eine Gänsehaut kriecht über meinen Rücken, weil mir der Amoklauf von neulich wieder einfällt. Da ist auch ein Opfer plötzlich aus seiner Starre erwacht und ausgerastet.

15. Ally
    Als ich Landgraf am Samstagmorgen um sechs Uhr die Tür aufmache, sieht er ganz anders aus als sonst. Er trägt eine Cargohose mit Reißverschlüssen und ein Shirt mit Fleeceweste darüber – und das bei jetzt schon gefühlten

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