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Luegenherz

Luegenherz

Titel: Luegenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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Sorgen macht, bist du. Ich will nicht, dass du verletzt wirst. Bitte sei vorsichtig, okay?«
    Ich versuche, mein aufkeimendes schlechtes Gewissen zu beruhigen. Stimmt ja, dass ich nicht will, dass ihr was passiert, aber wenn ich ihn nur so drankriegen kann …
    »Versprochen«, flüstert sie mit erstickter Stimme.
    Was könnte ich jetzt noch sagen? Sie soll endgültig kapieren, dass das kein Spiel ist, was wir hier tun. Dass sie etwas riskiert, wenn sie mitmacht. Und plötzlich weiß ich, wie ich das schaffen kann.
    »Hast du’s eigentlich schon mal getan?«, frage ich sie in lässigem Plauderton.
    Ally weicht zurück und schaut mich mit diesem Hunde-plus-alles-andere-Blick von vorhin an. Ich balle die Fäuste, um mich nicht schon wieder zwicken zu müssen.
    »Was meinst du, was getan?«, stellt sie sich blöd.
    »Na, du weißt schon, Sex.«
    »Warum willst du das wissen?« Allys Blick wird jetzt nicht härter, wacher, nein – irgendwie wirkt sie noch verletzter.
    Oh, klar, verstehe, sie hat es noch nicht getan, und das ist ihr entsetzlich peinlich. Plötzlich überfällt mich mein schlechtes Gewissen, ungebeten, aber stark und lästig wie Schluckauf. Ich versuche, es wegzubeamen.
    »Ich frage, weil es grauenhaft wäre, wenn das mit Landgraf dein erstes Mal werden würde.«
    Sie lässt sich auf ihren Drehhocker fallen, dabei wird sie ganz bleich und schluckt immer wieder verbissen, als müsste sie einen klebrigen Klumpen im Hals hinunterwürgen.
    »Aber, aber so weit wird es doch gar nicht …?«
    »Nein, natürlich nicht«, beruhige ich sie, nachdem sie hoffentlich kapiert hat, dass das hier blutiger Ernst ist. »So dumm kann der Landgraf nicht sein. Er wird sich erst mal rantasten und abchecken, ob er bei dir landen kann.«
    Verdammt, ich glaube, ich bin zu weit gegangen, sie wirkt vollkommen verstört. Sie hat den Kopf auf ihre Arme gelegt und sagt kein Wort.
    »Komm, lass uns rausgehen an die Isar, bei der Hitze wird man ja total wirr im Kopf.«
    Nichts.
    »Du musst mich für ziemlich naiv halten«, flüstert Ally nach einer Ewigkeit.
    »Quatsch, ist doch okay, nicht mit jedem Typen ins Bett zu steigen«, sage ich, um sie zu beruhigen.
    Sie hebt den Kopf und starrt mich aus tränenverschleierten Augen an. »Mila, du verstehst nicht, was ich meine. Es geht mir nicht um die Jungs, sondern um das, was wir tun werden. Irgendwie war das für mich die ganze Zeit ein bisschen wie im Film und jetzt kapiere ich erst, wie wirklich das alles ist.« Sie legt ihre Hände überkreuz auf ihre Oberarme und schaut mich flehend an.
    Verdammt, das wird ein Rückzieher. Was kann ich bloß tun?
    Sie löst die Hände von den Armen, wischt sich mit den Handrücken über die Augen, schnieft einmal ordentlich und strafft ihre Schultern. »Du musst mir das verzeihen, Mila, ja? Ich versuche, es dir zu erklären.« Ihr Gesicht verzieht sich zu einem schiefen Lächeln. »Das, was dir passiert ist, war für mich bisher wie so eine Art Fernsehkrimi, den man zu seiner Unterhaltung anschaut. Ich habe einfach nicht kapiert, dass diese Vergewaltigung wirklich stattgefunden hat. Erst als du eben das mit Landgraf gesagt hast und ich ihn mir keuchend auf mir drauf vorgestellt habe …«, sie bricht ab, als würde sie keine Luft mehr kriegen, »da habe ich, da hat mein Körper verstanden. Ich habe zu lange nur Filme angeschaut, verstehst du? Deine Geschichte war für mich wie Ins-Kino-Gehen, man spürt da zwar was, aber man ist nicht wirklich selbst ein Opfer oder der Täter. Ja, man heult vielleicht sogar oder lacht, aber es ist nicht die Wirklichkeit.«
    Ihre Worte schnüren mir die Luft ab. Ja, denke ich, ja, Ally, das ist die Wirklichkeit und die ist verdammt anders, als du glaubst. Ich versuche, mich zu entspannen. Schließlich hat sie gerade unsere Schwesternschaft besiegelt. Ich hab’s endgültig geschafft, sie vollkommen auf meine Seite zu ziehen.
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Ally, aber ich bin froh, dass du mir das gestanden hast. Ich finde es mutig von dir, und das macht mir Hoffnung, denn Mut werden wir brauchen. Und Vertrauen. Jede Menge.« Ich werfe ihr einen aufmunternden Blick zu, genug Drama für den Moment. »Hey und weißt du, was auch absolut wirklich ist? Mir ist wahnsinnig heiß und ich fänd’s super, mich jetzt in die Isar zu stürzen – was sagst du dazu?«
    Ally braucht einen Moment, um zu verstehen, was ich gesagt habe, doch dann ringt sie sich ein Grinsen ab. »Na, dann reden wir eben im kalten Wasser

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