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Luegenherz

Luegenherz

Titel: Luegenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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sehe ich permanent Landgrafs Kurt-Russell-Lächeln vor mir. Und in mir kristallisiert sich ein Gedanke: Jetzt ist er fällig, der Landgraf. Ich muss ihn nur noch dazu bringen, mit mir zum Klettern zu fahren. Und zwar allein.

12. Ally
    Aber das geht nicht so ohne Weiteres.« Landgrafs Glockenblumenaugen sind ganz dunkel.
    »Sie haben doch meinem Bruder den Floh ins Ohr gesetzt!«, protestiere ich.
    »Scarlett, wenn Sie wirklich an Klaustrophobie leiden, dann wäre das sehr kontraproduktiv. Glauben Sie mir. Damit tut man sich keinen Gefallen. Und am Samstag habe ich auch gar keine Gruppe, da habe ich frei.«
    Er packt seine Unterlagen in seine Aktenmappe und scheint damit das Gespräch für beendet zu halten.
    Verdammt! Ich schätze, ich muss es irgendwie anders machen. Ich denke an Mila und an das andere Mädchen und weiß, ich muss es schaffen.
    »Hören Sie, mein Bruder hat total übertrieben mit meiner Angst vor engen Räumen. Er denkt eben gerne von mir, dass ich schwach bin, nur um sich stärker fühlen zu können. Das ist so ein Tick von ihm.«
    »Scarlett, Ihre Familiengeschichte geht mich nun wirklich nicht das Geringste an.«
    »Doch, das tut sie, denn mein Bruder vermutet, dass Sie nur bei mir waren, um mich, wie er das nennt: anzubaggern. Und wenn wir nicht zum Klettern gehen, dann wird er glauben, dass er recht hat, und das kann reichlich unangenehm werden.«
    Jetzt habe ich immerhin seine Aufmerksamkeit. Er schaut hoch und grinst mich verblüfft an. »Wollen Sie mir etwa drohen?«
    »Nein, das würde ich niemals tun.« Und jetzt weiter, Ally, rede und bring das alles hinter dich.
    Wir sehen uns in die Augen und ich hoffe, ich sehe so verwirrt und unglücklich aus, wie ich mich fühle. »Aber mein Bruder ist da anders. Er ist ein echtes Genie und schert sich einen Dreck um die Meinung anderer. Seit ich mal eine sehr unglückliche Affäre mit meinem Tennislehrer hatte, glaubt er, mich vor älteren Männern beschützen zu müssen.« Mein Herzschlag gerät ins Stolpern und ich habe das Gefühl zu ersticken. All diese Lügen! Ich und Tennis! Ich und ein älterer Mann! Immerhin – bei dem Wort Affäre habe ich mir eingebildet, ein Funkeln in Landgrafs Augen entdeckt zu haben. Ich muss mich ein paarmal räuspern, bevor ich zum letzten Schlag aushole. »Mein Bruder ist imstande und postet bei Twitter oder Facebook irgendeinen Unsinn über Sie. Dass man ein Auge auf Sie und die kleinen Mädchen haben müsste oder so was.«
    Ich hoffe, meine Worte treffen ihn mitten ins Herz. Doch er legt mir nur besorgt die Hand auf meinen Arm. Was für ein beschissen guter Schauspieler er doch ist. Ich ziehe den Arm weg.
    Landgraf zuckt mit den Schultern. »Hat Ihr Bruder das schon einmal getan? Ist er in psychiatrischer Behandlung?«
    Verblüfft schaue ich ihn an. »Mein Bruder ist geistig vollkommen gesund.« Im Gegensatz zu Ihnen, füge ich in Gedanken hinzu.
    »Also, sich in das Liebesleben der eigenen Schwester einzumischen, erscheint mir nicht gerade normal. Sieht er manchmal auch Gespenster?«
    Unwillkürlich muss ich an den angeblichen Spanner denken, von dem Jury erzählt hat. Aber sofort rufe ich mich zur Vernunft. Wäre ja noch schöner, dass ein elender Vergewaltiger – letztlich sogar ein Mörder – sich einbildet, er könnte mir weismachen, dass mit meinem Bruder etwas nicht stimmt.
    »Jury wird mir – und Ihnen – das Leben zur Hölle machen, wenn ich am Samstag nicht klettern gehe. Könnten wir es nicht einfach probieren?«
    »Ich lasse mich doch nicht von verrückt gewordenen Teenagern bedrohen – und Sie sollten am Wochenende lieber Englisch lernen.«
    Er wendet sich zur Tür.
    »Aber Sie würden mir helfen«, sage ich mit erstickter Stimme, weil mir jetzt nichts anderes mehr einfällt. »Und ich dachte, Hilfe wäre genau der Grund, warum Sie mit Jugendlichen in Höhlen rumklettern.« Eine Träne rollt mir die Wange hinunter.
    Er kommt zurück und mustert mich. Wie gut, dass niemand in den Kopf anderer schauen kann, denn wenn er wüsste, warum ich heule, würde er jetzt ganz schnell verschwinden. Stattdessen wird er weich.
    »Und Sie haben wirklich keine Platzangst?«
    Ich schüttele den Kopf.
    »Und sind Sie schon mal geklettert?«
    »Nein.«
    Er stöhnt und ich denke schon, das war es jetzt, aber dann klatscht er seine Tasche auf den Oberschenkel, als wollte er damit einen Schlusspunkt setzen.
    »Na gut, in Gottes Namen, wenn Ihnen so viel daran liegt! Dann hole ich Sie am Samstagmorgen um sechs Uhr ab.

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