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Luegenherz

Luegenherz

Titel: Luegenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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sind.
    Ich muss sofort zurück in mein Versteck. Ich renne mit meiner Wanderausrüstung und der Fototasche über das Gras, zertrete dabei kleine trockene Ästchen und bete, dass sie dort unten das Rascheln und Knacksen nicht hören können.
    Außer Atem erreiche ich die Leiter des Hochsitzes und klettere die teilweise vollkommen vermoderten Bretter bis nach oben. Es kracht, eine Sprosse zerbirst und ich rutsche nach unten, umklammere mit beiden Händen den Rand der Leiter, rutsche trotzdem tiefer und tiefer und ziehe mir zwei große Splitter in der linken Handfläche zu. Verdammt, tut das weh! Ich lasse los und falle auf meinen Hintern. Gott sei Dank nicht auf die Fototasche!
    Schneller, Mila, feuere ich mich an und versuche es noch mal, allerdings piksen die Splitter in den Händen ganz übel. Ich ignoriere den Schmerz, überklettere die kaputte Sprosse und hoffe, dass dieses morsche Ding nicht komplett unter mir zusammenbrechen wird.
    Keuchend erreiche ich die Plattform mit dem Sitz und krieche über den Boden an den Rand. Mit den Fingernägeln ziehe ich mir die Splitter aus der Hand. Dann greife ich mir das schwere Teleobjektiv aus der Fototasche, setze es auf die Kamera und richte es auf den Höhleneingang. Keine Sekunde zu früh.
    Gerade taucht ein behelmter Kopf aus der Höhle auf.
    Ich muss ruhiger werden, meine Hände zittern derart, dass ich so nur verwackelte Fotos machen werde.
    Es raschelt im Gebüsch, ich schaue hektisch hinunter, kann aber nichts sehen. Bestimmt nur ein paar Hasen. Ich sollte mich nicht so ablenken lassen. Hier kommt nie jemand her, diese Höhle ist viel besser als das Angerloch.
    Komisch, dass Ally mich nicht angerufen hat, um mir Bescheid zu geben, dass sie woanders hinfahren. Das hätte ich von ihr nicht erwartet. Ob sie irgendwelche Spielchen mit mir treibt? Nein, doch nicht Ally, oder?
    Jetzt knackst es schon wieder so laut, dass die Vögel um mich herum aufhören zu zwitschern. Ich linse durch einen Spalt zwischen den Bodenbrettern, doch im Wald ist weit und breit nichts zu sehen.
    Als ich wieder zum Höhleneingang hinüberschaue, bin ich vollkommen überrascht.
    Oh, was … wow, das sieht ja großartig aus!
    Er hat sie über der Schulter liegen wie einen nassen Sack und schafft es gerade so, sie nach oben zu wuchten. Dann erst steigt er selbst aus dem Loch. Was auch immer passiert ist, das wird schon mal ein gutes Bild. Ich versuche, meine Hände ruhig zu halten und mich zu konzentrieren.
    Ally scheint sich bewusstlos zu stellen. Großartig, dann können wir später behaupten, er hätte ihr etwas in die Trinkflasche gemischt. Gebannt beobachte ich, was weiter passiert, und drücke immer wieder auf den Auslöser.
    Landgraf wirft seine Handschuhe zur Seite, reißt sich den Helm runter, kniet sich neben sie, zieht ihre Handschuhe aus und öffnet dann den Reißverschluss von ihrem Schlaz. Dabei beugt er sich über sie, um zu testen, ob sie atmet.
    Auf dem Foto wird das anders wirken. Als ob er sich an einer Bewusstlosen vergehen wollte.
    Mann, das ist ja großartig. Ally hat definitiv Talent! Was für eine Superidee von ihr.
    Jetzt packt er hektisch sein Handy aus, steht auf, geht umher und versucht zu telefonieren, aber offensichtlich erreicht er niemanden. Er wackelt mit dem Kopf, wie immer, wenn er ratlos ist, und kniet sich wieder neben sie, legt den Kopf auf ihre Brust, dann horcht er mit seinen Ohren an ihren Lippen.
    Bravo, Ally, was für herrliche Bilder!
    Jetzt versucht er, Ally weiter aus dem Schlaz zu befreien, sie liegt da wie tot. Er zieht den Overall nach unten, muss ihren Hintern anheben, um ihn weiter runterziehen zu können – oh ja, das sieht auch sehr schön aus –, und weil sie offensichtlich nur eine kurze Hose darunter trägt, berührt er dabei ihr nacktes Bein. Wie sie das geschafft hat, ist mir ein Rätsel, denn wenn ich mit ihm unterwegs war, musste ich immer ein dickes Fleeceshirt und lange Hosen unterziehen, weil es in den Höhlen verdammt kalt sein kann, auch wenn es draußen heiß ist.
    Jetzt sucht er etwas, um es unter ihre Beine zu legen, baut seinen Rucksack und ihren zu einem dicken Polster auf und legt ihre Füße hoch.
    Das ist nicht so gut, das sieht komisch aus. Da muss ich einen anderen Bildausschnitt wählen.
    Jetzt guckt er so … oh nein, das kenne ich! Es ist dieser Blick, als ob er gleich etwas tun müsste, das ihm zutiefst zuwider ist – eine Spinne töten zum Beispiel. Oh Gott, er betrachtet Ally und der Blick verstärkt sich, das

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