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Luegenherz

Luegenherz

Titel: Luegenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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gefällt mir ganz und gar nicht. Vor diesem Blick habe ich Angst. So hat er mich auch angesehen, als er die Narben entdeckt hat.
    Er holt aus und schlägt Ally ins Gesicht. Oh Mann, das ging so schnell, hoffentlich habe ich das richtig drauf, das wäre fantastisch.
    Ally zuckt zusammen, schlägt ihre Augen auf und schaut sich um, als wäre sie auf einem fremden Planeten gelandet.
    Dann sagt sie etwas, will aufstehen, schafft es aber nicht, Landgraf hilft ihr, stützt sie. Sie stößt ihn weg, super, guter Schnappschuss! Aber was ist denn das? Sie taumelt ein paar Schritte und übergibt sich in die Büsche.
    Er geht wieder zu ihr und hält ihren Rücken, bringt ihr zerfleddertes Haar aus der Schusslinie, das kann er gut. In solchen Situationen kann er auch mal was Väterliches haben, daran kann ich mich erinnern. Wenn ich meine Position ein bisschen verändere, zeigt der Bildausschnitt, wie er sich von hinten an sie randrängt. Wow, das haut jeden Zweifler um.
    Warum ist Ally schlecht? Ich schätze mal, das kann man nicht vortäuschen, oder vielleicht doch? Man könnte würgen, ohne dass etwas kommt und nur ein bisschen spucken. Aber das passt einfach nicht zu Allys Sauberkeitsfimmel. Also was ist da unten in der Höhle passiert?
    Jetzt hat sie aufgehört, sich zu übergeben, zittert aber am ganzen Körper, als hätte sie Schüttelfrost und klammert sich an Landgraf, als wäre er der Erlöser persönlich. Ich komme gar nicht hinterher mit dem Fotografieren. Ally ist eine Naturbegabung.
    Aber plötzlich schießt mir eine merkwürdige Erkenntnis durch den Kopf. Ich war bisher so begeistert gewesen, dass es mir erst jetzt auffällt: Sie weiß ja gar nicht, dass ich hier bin – also warum tut sie dann das alles?
    Er hält sie fest, streicht ihr über den Kopf, aber sie scheint zu schluchzen, ihr Körper wird so stark geschüttelt, dass er sie fester halten muss. Seine Hände liegen sehr fest an ihren Oberarmen. Was für ein schönes Bild!
    Trotz allem, was passiert ist, schnürt sich mir auf einmal der Hals zu und ich wünschte für eine Millisekunde, er hielte mich so fest im Arm. Hör auf, Mila, lass das, der Mann hat keine Gefühle verdient. Er ist ein abscheulicher Lügner, ein hinterhältiges Schwein.
    Es dauert gefühlte hundert Jahre, bis Ally aufhört zu weinen. Er lässt sie los, tritt einen Schritt zurück und schaut sie an, als würde er sich wirklich für ihr Wohlergehen interessieren. Das macht mich dermaßen wütend, am liebsten würde ich von hier oben aus rüberbrüllen: Lass das, du Arsch! Du interessierst dich nur für einen einzigen Menschen auf der Welt, und zwar für dich selbst.
    Ally zieht ihre Stiefel aus und versucht, in ihre Sandalen zu schlüpfen. Aber offensichtlich schafft sie das nicht, denn er bückt sich und schließt die Riemchen, als wäre sie ein Kleinkind. Da habe ich ihn ganz nah an ihrem Fuß. Gut.
    Ich halte das Objektiv höher. Oh Gott, Ally sieht entsetzlich aus. Ihre Augen sind total zugeschwollen und rot, ihre Lippen wirken zerbissen und an den Wangen kleben Salzspuren. Davon mach ich auch noch ein Bild – und wenn ich mich weiter zurücklehne, kriege ich sogar noch ihn mit drauf, wie er an ihrem Fuß herumfummelt.
    Ich frage mich, warum sie so mitgenommen aussieht und ob in der Höhle irgendwas passiert ist, womit wir nicht gerechnet haben. Aber sie waren nur kurz unten, was kann da schon groß passiert sein?, versuche ich, mein aufkeimendes schlechtes Gewissen beiseitezudrängen.
    Jetzt erhebt er sich und packt die restliche Ausrüstung in die Schleifsäcke und ich kann deutlich sehen, dass seine Besorgnis extrem schlechter Laune gewichen ist. Typisch, wehe es läuft nicht genau so, wie er es will. Die Rückfahrt wird sicherlich bitter für Ally.
    Ich verstaue das Teleobjektiv und die Kamera wieder in der Fototasche, vorher nehme ich den CompactFlash raus, damit ich die Speicherkarte nicht aus Versehen mit zurückgebe.
    Sie marschieren ab. Ally wirkt wackelig, immer wieder stolpert sie über Brombeerranken, Landgraf versucht, sie zu stützen, aber sie wehrt ihn ab. Ich bin echt gespannt, was sie mir erzählen und was sie zu den Fotos sagen wird.
    Eigentlich brauche ich Ally jetzt gar nicht mehr, ich könnte die Bilder auch ohne sie ins Netz stellen. Könnte ich, aber ich möchte auch ihre Geschichte. Bilder allein erledigen ihn vielleicht nicht für immer.
    Ich robbe vorsichtig an den Rand des Hochsitzes, da taucht plötzlich wie aus dem Nichts ein Gesicht vor mir auf. Ich

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