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Luegenherz

Luegenherz

Titel: Luegenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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Male hab ich ihn nie genauer angeschaut, weil er da nur ein lästiger Störenfried war, aber jetzt hier, wo dieser gut aussehende Hüne mir so viel Aufmerksamkeit schenkt, kann ich nicht anders, als ihn zur Kenntnis zu nehmen. Nicht, dass das irgendwas an meinen Plänen ändern wird. Er findet mich sexy, hat Ally behauptet, dann hoffen wir mal, dass sie die Wahrheit gesagt hat. Glücklicherweise hat sie mir auch erzählt, dass er die Mädels satthat, die ihn anhimmeln. Also versau’s nicht, Mila.
    Keiner von uns sagt etwas. Nur Jurys Wow schwebt immer noch in der Luft. Er macht die Tür weiter auf und deutet mit der Hand eine Einladung an. »Du bist Mila, wenn ich mich richtig erinnere?«
    Wir betreten einen weiten Flur, der in einem Raum endet, in den Allys Wohnung dreimal reinpassen würde. Dort stehen drei schwarze Ledersofas, überall liegen Zeitungen und Bücher herum, eine Wand ist grau gestrichen, eine rot, der Rest weiß. Bilder gibt es keine, auch keine Vorhänge, sodass man durch die Fensterfront direkt in den Englischen Garten schauen kann. Jetzt bin ich kurz davor, wow zu sagen.
    Plötzlich bleibt er stehen und schaut mich entsetzt an. »Ist irgendwas mit Scarface, äh … mit Face? Sie war gestern Abend so komisch.«
    Wunderbar, Jury macht sich gleich Sorgen um seine Schwester, das hätte ich nicht besser planen können.
    »Sag schon, Mila, was ist los?«
    Jetzt nur keinen Fehler machen. »Das ist nicht so einfach zu erklären, aber ich glaube, Ally könnte deine Hilfe brauchen.«
    »Um Gottes willen, jetzt mach es nicht so spannend, was ist denn passiert?«
    »Können wir uns setzen?«
    »Klar, entschuldige, willst du etwas trinken?«
    Als ich nicke, verschwindet er in einem Nebenraum und kommt mit Cola, Wasser und Saft zurück. Das alles stellt er auf den silbernen niedrigen Tabletttisch vor den Sofas und holt aus einem hochglanzpolierten roten Sideboard Gläser.
    »Cola bitte«, sage ich und ziehe die Fotos aus meiner Tasche. Das wird ihn mächtig aufregen, diesen Beschützer.
    Beschützer. So einen hätte ich auch immer gern gehabt …
    Doch plötzlich wird mir klar, dass er mich fragen wird, warum oder woher ich diese Fotos habe, und mir rutscht das Herz in die Hose. Natürlich wird er sich darüber aufregen, aber so, wie ich Jury einschätze, mehr über mich als über die Fotos. Er wird mich anschreien und mich als Miststück beschimpfen, weil ich seiner Schwester nicht geholfen habe. Er hätte niemals seelenruhig zugeschaut und Fotos gemacht, sondern wäre zu Ally hingestürmt und hätte Landgraf fertiggemacht.
    Verdammt, daran habe ich gar nicht gedacht.
    Toller Plan, Mila!
    Das geht auf gar keinen Fall. Ich versuche, die Bilder so unauffällig wie möglich wieder einzustecken, und trinke einen großen Schluck von der Cola.
    »Also?«
    »Ich habe Ally versprochen, niemandem davon zu erzählen.«
    Er grinst mich schief an. »Aber genau das wirst du jetzt tun. Das wird ihr nicht gefallen und an deiner Stelle würde ich mir das gut überlegen. So wie ich meine Schwester kenne, ist es sehr wahrscheinlich, dass du danach nicht mehr ihre Freundin sein wirst. Vertrauen ist ihr absolut wichtig und sie kennt da keine Grautöne. Es gibt für sie nur richtig und falsch. Sie hätte Jura studieren sollen.«
    Was für ein Glück, dass er sich so gerne reden hört, so habe ich Zeit, um nachzudenken. »Das mag sein, aber manchmal ist es besser, man opfert sich auf dem Altar der Freundschaft und hilft. Anstatt bloß zuzuschauen, wie jemand vor die Hunde geht.«
    Er zieht eine seiner Augenbrauen hoch und pfeift durch die Zähne. »Opfern auf dem Altar der Freundschaft, schreibst du für ›Den Wachturm‹? Was ist denn das für ein Gesülze? Oder bist du auch wieder nur so eine, die sich über meine Schwester an mich ranmachen will?«
    Okay, ich hab zu dick aufgetragen. »Nein, danke, du bist nicht mein Typ und ich habe bereits einen Freund.« Ich stehe auf. »Dann eben nicht. Ally hatte doch recht, du bist ein arroganter, eingebildeter Widerling.«
    Jetzt lacht er laut. »Das klingt wesentlich authentischer als das Gerede von wegen Altar und opfern. Also, jetzt hör auf mit dem Theater und spuck’s aus.«
    Ich überlege, wie weit ich gehen soll, dann setze ich mich wieder hin. »Ich tue das für Ally«, sage ich und versuche, den richtigen Tonfall zu finden. »Also, Ally war mit diesem Typen beim Höhlenklettern …«
    »Aber nicht mit dem Landgraf, oder?«
    »Doch, mit genau dem.«
    Unfassbar, wie sich sein

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