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Luegenherz

Luegenherz

Titel: Luegenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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habe. Vorschrift sei Vorschrift.
    Dann werde ich eben alleine herausfinden, wer er ist und wo er wohnt. Immerhin scheint er Mila zu kennen – es kann unmöglich Zufall sein, dass er ihren Namen genannt hat.
    Überhaupt Mila – ich habe keine Ahnung, was sie vorhat, welches Spiel sie hier spielt, und deshalb muss ich bei ihr ansetzen. Also fange ich an, alles über sie zusammenzutragen, was ich weiß. Erschrocken stelle ich fest, dass ich mich nicht mehr erinnere, wie sie mit Nachnamen heißt. Nur einmal ganz am Anfang, als sie das erste Piercing gekauft hat, haben wir darüber gesprochen. Aber dummerweise habe ich da viel länger über mich und meinen blöden Namen Scarlett Müllerhans lamentiert und ihren Namen nicht weiter beachtet. Es war ein normaler Name, aber nicht so gewöhnlich wie Huber oder Müller und Schulze und ich glaube, es war ein »ei« drin, aber das ist auch schon alles, was mir einfällt. Ich durchsuche unsere Mails, ob da irgendwo ein Hinweis existiert. Nichts. Und ohne ihren Nachnamen kann ich sie nicht mal im Internet googeln.
    Ich schreibe alles, was ich über sie weiß, auf einen Zettel:
    Vater und Mutter, aber keine Geschwister
    Mutter psychisch labil, aber besorgt um ihre Tochter
    Ich starre aus dem Fenster, während ich auf dem Bleistift herumkaue. Was weiß ich noch über Mila? Mir fällt ein, dass sie einmal nach Hause gehen musste, um ihrer Mutter bei einer Blumendeko zu helfen … Also notiere ich weiter:
    Mutter – Blumenladen in Augsburg?
    Während ich weiter mein Gehirn durchforste, klingelt es ganz zaghaft wie aus Versehen an meiner Tür – das kann nur Mams sein! Aber mitten am Tag? Als ich ihr aufmache, kommt sie quer über den Hof gerannt, auf ihren Stöckelschuhen und im engen schwarzen Businesskostüm. Es muss etwas passiert sein, denn sie legt großen Wert auf ein perfektes Outfit und vermeidet es gerade im Sommer, ins Schwitzen zu geraten.
    »Gott sei Dank!« Sie presst mich schwer atmend an sich und streicht mir übers Haar.
    Was soll das denn? Diese Art von Zärtlichkeit ist in unserer Familie sonst eigentlich tabu. Ich sträube mich ein bisschen, denn sie lässt mich gar nicht mehr los.
    »Mama, was ist denn passiert?«
    Sie tritt einen Schritt zurück, lässt aber ihre Hände auf meinen Schultern, und als ich ihr ins Gesicht schaue, sehe ich, dass ihr Augen-Make-up verwischt ist, ganz so, als hätte sie geweint.
    Sie drückt mich wieder an sich. »Es hat mich jemand angerufen und behauptet, du würdest schwer verletzt in deiner Wohnung liegen, und wenn ich dich lebend sehen wollte, dann müsste ich jetzt sofort kommen.«
    »Aber du hast doch eine Geheimnummer.«
    »Der Anruf kam direkt in die Kanzlei. Es war ein Mann, der behauptet hat, er wäre dein Lehrer und müsste dringend mit mir sprechen, deshalb hat die Sekretärin ihn durchgestellt. Mir hat er erklärt, er wäre gar nicht dein Lehrer, sondern ein Freund.« Mama schüttelt sich. »Ein Freund! Er hatte seine Stimme verstellt und dann hat er gesagt, wenn ich dich noch mal lebend sehen will, soll ich sofort nach dir schauen.
    Ich war so aufgeregt, ein Wunder, dass ich auf dem Weg hierher keinen Unfall gebaut habe. Scarlett, mein Schatz, was ist hier los?«
    Sie klingt so aufrichtig besorgt, dass meine Kehle wie zugeschnürt ist. Nicht wie sonst, wenn es nur darum geht, dass ich hier wegziehen soll, weil es ihr peinlich ist, dass ich – O-Ton Mams – in einer solchen Bruchbude in so einem miesen Viertel hause.
    Ich möchte ihr gern erzählen, was passiert ist, aber alles ist so verworren, dass ich nicht weiß, wo ich anfangen soll. Mila, Jury, der Spanner, Landgraf – ich blicke ja gerade selber nicht mehr durch! Oh Mann, wie kann ich es nur schaffen, dass sie wirklich zuhört? Meine Zunge liegt wie Blei im Mund und ich finde keinen Anfang.
    »Wie kommt jemand dazu, so etwas zu tun?«, flüstert Mama, noch bevor ich etwas sagen kann. »Macht ein Mensch das, um mich zu ärgern, oder steckt da eine geheime Botschaft dahinter? Wie auch immer, ich habe jedenfalls für solche Spielchen keine Zeit.«
    Sie hat sich gefasst und klingt schon beinahe wieder wie die toughe Anwältin, die über eine effektive Strategie nachdenkt. Dann schaut sie mich kopfschüttelnd an, als hätte ich mir den Anruf ausgedacht, um sie zu ärgern.
    Dieser Blick bringt mich wieder zurück – das ist meine Mutter, wie sie leibt und lebt. Und so komme ich ganz sicher nicht in Versuchung, ihr irgendwas zu erzählen. Sie würde sowieso nichts

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