Luegenherz
doch nach den Bildern, dann wird nämlich klar, was hier gespielt wird.«
Er zieht eine Augenbraue hoch und schaut Mila fragend an. Aha, das stand nicht in ihrem Drehbuch.
Sie zieht ihre Schultern hoch und macht eine wegwerfende Geste mit ihrer linken Hand. Als hätte ich davon gesprochen, von Aliens entführt worden zu sein.
»Jury, mir fehlt nichts, ich bin vollkommen in Ordnung. Ja, ich war in dieser schrecklichen Höhle mit Landgraf und ja, es war fürchterlich, aber …«
»Du musst nicht drüber reden, Face, ist schon gut.« Er sieht irgendwie erleichtert aus, als hätte ich eine Fleißaufgabe gut gelöst.
»Gut, dass du endlich anfängst, darüber zu reden!« Mila lächelt erst Jury zu, dann mir. »Das hilft.«
»Jury ich muss mit dir allein sprechen. Mila, verschwinde bitte, du hast dich ewig nicht gemeldet und jetzt bin ich froh darüber. Verschwinde.«
Jury legt den Arm um meine Schultern. »Hey, Mila meint es doch nur gut, sie hat sich solche Sorgen um dich gemacht. Nur deshalb hat sie mir alles erzählt.«
Jetzt reicht es mir. »Was alles?« Ich starre Mila an und fasse es nicht. Was hat sie Jury nur für Lügen aufgetischt?
»Alles also, ja? Hat sie dir dann auch von ihren Narben erzählt? Die sollten dir Sorgen machen, nicht ich. Na los, Mila, zeig sie ihm!« Noch während ich rede, schäme ich mich in Grund und Boden, jetzt habe ich alles kaputt gemacht, jetzt gibt es kein Zurück mehr – aber ich bin mir auch sicher, mit Mila stimmt etwas nicht. Herrgott, meine Gefühle für sie sind so widersprüchlich …
»Ally, beruhige dich. Mich interessieren Milas Narben nicht die Bohne, ich mache mir um dich Sorgen.«
»Du redest, als hätte man dich einer Gehirnwäsche unterzogen. Jury, hör mir zu: Mit mir ist alles in Ordnung. Es ist Mila, um die wir uns Gedanken machen sollten.«
»Ganz egal, was mit Mila ist, Ally, ich versichere dir, Landgraf wird die Strafe bekommen, die er verdient hat.«
Mila und er strahlen sich an wie Oskarpreisträger bei ihrer Dankesrede.
Ich würde gerne jemanden schlagen oder irgendwo dagegentreten und gleichzeitig fühle ich mich so hilflos. Verdammt, warum glaubt mir Jury denn nicht? Ist er so blind? Wie hat Mila es nur geschafft, dass er alles, was ich sage, uminterpretiert? Ich versuche es noch einmal klar und deutlich.
»Landgraf hat mir nichts getan, im Gegenteil!«
»Wie ich dir gesagt habe – das ist ganz typisch, dieses Leugnen, ein Opfer zu sein«, flüstert Mila Jury gerade so laut zu, dass ich es hören kann. Dann schaut sie mich an und verbeißt sich ein Lachen, als Jury beifällig zu ihren Worten nickt.
»Ich hasse dich, Jury, ich hasse dich! Du denkst, du weißt alles, weil du so schlau bist, dabei kapierst du nicht die Bohne! Nichts ist so, wie es scheint. Mila benutzt dich, so wie sie mich benutzen wollte.« Ich warte nicht auf seine Antwort, sondern renne davon wie von tausend Hunden gehetzt. Ich muss dringend mit dem Typen von gestern Abend reden.
Sofort.
24. Mila
Jury schaut seiner Schwester nachdenklich hinterher, dann wendet er sich wieder mir zu.
»Sie ist sehr verletzt«, sage ich und versuche zu erraten, was in ihm vorgeht.
Leichte Panik steigt in mir auf. Ganz ruhig bleiben. So wie Ally sich gerade benommen hat, kann er unmöglich wissen, was hier wirklich gespielt wird.
»Muss wohl so sein, denn eigentlich redet Ally nie Unsinn, aber das klang gerade fast so.« Er lächelt in sich hinein. »Ich meine, sie macht natürlich allen nur möglichen Blödsinn, aber sie lügt nicht und redet keinen Schwachsinn.«
»Nein, natürlich nicht. Aber das ist ja auch eine neue Situation.« Ich werfe ihm einen strafenden Blick zu. »Was sie erlebt hat, ist beileibe kein Blödsinn, sondern eine wirklich furchtbare Erfahrung. Und jeder reagiert anders darauf …«
Er beisst sich auf die Lippen. »Du hast recht, das war eine überflüssige Bemerkung von mir. Ich muss jetzt gleich zur Uni. Wollen wir noch mal alles durchgehen wegen Samstag?«
»Ich glaube, das Wichtigste ist, dass du dir Landgraf erst in der Höhle vorknöpfst, wenn ihr schon tief drin seid. Damit er den Braten nicht zu früh riecht und womöglich abhaut.«
»Als Jurist muss ich unseren Plan verurteilen, aber als Bruder finde ich, der Kerl hat eine Abreibung verdient, und hoffe, dass sein lückenloses Geständnis ihn dann vor den Richter bringen wird. Zum Glück bin ich kein Polizist.« Jetzt zwinkert er mir zu. »Vor Gericht sind mittels Gewalt erpresste Geständnisse durch
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