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Luegenherz

Luegenherz

Titel: Luegenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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Cave-Doctors . Der Typ ist ein Höhlenkletterer, genauso wie Landgraf. Ob die sich wohl kennen? Ich klicke mich zum Impressum durch, wo die Adresse eines Pit Gruber in Augsburg und eine Telefonnummer angegeben sind, die ich am liebsten sofort gewählt hätte, aber es ist vier Uhr morgens, das kommt sicher nicht so gut.
    Jetzt nachdem ich weiß, dass es wirklich Tom Linder ist, den ich unbedingt sprechen muss, suche ich alle Linders in Augsburg im Telefonbuch heraus und nehme mir vor, sie später abzutelefonieren. Ein Tom Linder ist nicht dabei, aber vielleicht lebt er ja bei seinen Eltern und hat keinen eigenen Eintrag.
    Immerhin kann ich jetzt ins Bett gehen und ein paar Stunden schlafen. Ich bin ganz sicher, dass ich ihn morgen erwische und dann dem ganzen Irrsinn ein Ende bereiten kann.

26. Mila

    Es klopft an meine Zimmertür. »Mila, Besuch für dich.«
    Mama schiebt Tom in mein Zimmer. Sie hat ihn immer schon gemocht. Genervt starre ich die beiden an. Tom hat nicht nur das linke Bein und einen Arm eingegipst, sondern er humpelt und sieht so aus, als hätte er seit drei Nächten nicht geschlafen.
    »Was willst du denn hier?«, frage ich ihn, nachdem meine Mutter die Tür geschlossen hat.
    »Mit dir reden. Dir helfen. Ich will dir klarmachen, dass du offensichtlich vollkommen austickst.«
    »Verschwinde und lass mich in Ruhe!«
    »Du kannst von Glück sagen, dass ich dich nicht angezeigt habe.«
    »Wenn du im Wald auf einen morschen Hochsitz kletterst und dann runterstürzt, ist das nicht mein Problem.«
    »Selbst wenn wir mal so tun, als ob ich von alleine gefallen wäre, dann hättest du mir trotzdem helfen müssen. Unterlassene Hilfeleistung kann bestraft werden. Das alles gefällt mir nicht. Was wolltest du überhaupt da?«
    »Vögel beobachten.«
    Er schüttelt den Kopf, allerdings nur leicht, weil ihn die Halskrause dabei behindert. »Mila, du brauchst Hilfe.«
    »Höchstens dabei, dich hier rauszuwerfen. Und jetzt geh.«
    »Ich werde mit deinem Vater reden und ihm erzählen, was du im Wald treibst. Und warum hast du deine komplette Ausrüstung zu diesem Typen in Schwabing gebracht?«
    »Spionierst du mir nach?«
    »Natürlich, was soll ich denn sonst machen, um dich zu stoppen?«
    »Ich weiß nicht, eine Demo oder eine Volksabstimmung vielleicht … Der Sturz im Wald hat dir offensichtlich das Hirn vernebelt. Ich kann doch meine Kletterausrüstung leihen, wem ich will.«
    »Und was ist mit dieser Goldschmiedin? In was für eine Sache ziehst du sie da mit rein?«
    »Du spinnst, Tom. Ich ziehe niemanden irgendwo rein. Ally ist meine Freundin und da ist es nur ein Akt der Freundschaft, wenn ich ihrem Bruder meine Ausrüstung leihe.«
    »Wenn das Freundschaft ist, seine ohnmächtige Freundin zu fotografieren wie ein Spanner, dann bin ich der Weihnachtsmann.«
    »Ja dann, Santa, mach dich auf die Socken, in einem halben Jahr ist es wieder so weit.«
    »Mila, bitte hör auf. Rache ist nie die richtige Lösung. Ich bin sicher, wir könnten mit deinem Vater reden und …«
    »Du hast ja keine Ahnung!«, unterbreche ich ihn wütend. »Ausgerechnet mit meinem Vater willst du reden! Das ist, als würdest du einen Blinden zur Führerscheinprüfung zulassen. Er muss lügen, sonst kriegt er keine Fahrerlaubnis. Ich werde das selbst alles in Ordnung bringen – auf meine Art, und das wird das Beste für uns alle sein. Und jetzt geh! Und funk mir bloß nie mehr dazwischen, du Schlappschwanz.«
    »Mila!«
    »Verschwinde!«
    »Ich weiß nicht, was du vorhast, aber es ist falsch. Es wird dich am Ende noch mehr verletzen.«
    »Verdammt!«, brülle ich jetzt, »verdammt, hau endlich ab!«
    Er humpelt zur Tür und geht. In meinem Körper brodelt es. Tom hat nicht die leiseste Ahnung, wie sich das anfühlt, dieses wütende Kochen, er weiß gar nichts. Für ihn ist es schlimm, wenn kein Klopapier im Bad ist oder wenn er es nicht schafft, einen Zehner zu klettern.
    Ich muss hin und her gehen wie ein Tier im Käfig, hin und her und hin und her und kann gar nicht mehr aufhören, denn wenn ich damit aufhöre, muss ich etwas anderes tun, um dieses Lavabrodeln abzustellen. Mama kommt und will wissen, was los ist.
    »Nichts«, versuche ich, mit normaler Stimme zu ihr zu sagen, dabei merke ich, wie wütend ich mittlerweile auch auf sie bin. Warum hat sie nie etwas gemerkt? Warum hat sie all die Jahre mir den schwarzen Peter hingeschoben, statt hinzuschauen und zu erkennen, was los ist?
    Dieses Gefühl ist neu. Jahrelang habe ich

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