Luegenherz
ziemlich unglaubwürdig vor. Wissen Sie, ich handle oft viel zu spontan und da dachte ich mir, schau doch mal nach, Luisa, ob alles mit rechten Dingen zugeht.«
Meine Beine zittern, weil sie am liebsten wegrennen würden, aber ich zwinge mich, ganz ruhig zu bleiben.
»Gehen wir doch einfach«, schlage ich also vor und versuche, sehr bestimmt zu klingen. »Ich komme wieder, wenn die Jungs da sind.« Aber ich weiß nicht so recht, ob ich es wagen kann, auf die Dame zuzugehen. Sie hat diesen gemeingefährlichen Hammer in der Hand – und ihre Augen funkeln so merkwürdig.
»Gut. Sie gehen voran, ja.«
Nein, denke ich, was, wenn sie mir dann von hinten mit dem Hammer den Schädel einschlägt? Irgendwie wirkt die Alte ein bisschen verwirrt und ich sollte besser so schnell wie möglich von hier verschwinden.
Ich schalte den Computer aus und gehe auf die Frau zu. Sie zieht den Hammer einmal durch. »Bleiben Sie auf Abstand und gehen Sie voraus, ja?«
Mir bleibt nichts anderes übrig – schließlich kann ich froh sein, wenn sie nicht die Polizei ruft. Gut für mich, dass sie so »spontan« ist.
Als wir wieder draußen sind und die Tür verschlossen ist, lässt sie den Hammer entspannt sinken. »Verraten Sie bitte niemandem, dass ich Ihnen erzählt habe, wo der Schlüssel liegt, ja?«
Jetzt blitzen ihre grauen Augen wieder so unternehmungslustig wie vorhin, und wenn sie nicht den Hammer in der Hand halten würde, dann wäre ich fast geneigt zu glauben, dass ich mir das alles nur eingebildet habe.
»Nein, ich werde schweigen wie ein Grab«, verspreche ich und mache, dass ich hier wegkomme.
»Wollen Sie vielleicht ein Tässchen Tee mit mir trinken, auf den Schreck?«, ruft sie mir nach und beugt sich über das Geländer und alles, was mir dabei einfällt, ist der Film »Arsen und Spitzenhäubchen«, wo nette alte Damen Menschen mit giftigem Tee umbringen.
»Bei der Hitze würde Ihnen das sicher guttun, Sie sehen etwas blass aus …«, schiebt sie nach, aber ich rufe nur noch »Nein danke!« und renne die restlichen Stufen runter auf die Straße. Dort lehne ich mich an die Hausmauer und schnaufe tief durch. Was mache ich hier eigentlich, drehe ich vielleicht auch langsam durch?
Auf alle Fälle sollte ich jetzt mit diesem Tom reden und herausfinden, was seine kryptische Warnung zu bedeuten hat. Ich wähle erneut seine Nummer, aber es springt nur die Mobilbox an. Ich lege wieder auf, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll, ohne wie eine Irre zu klingen.
Gut, dann knöpfe ich mir eben erst einmal Mila vor – auf zu Blumen Weigand. Um dort hinzukommen, muss ich mit der Straßenbahn ein paar Stationen stadtauswärts fahren und dann noch ein paar Meter gehen.
Es ist eine sehr große Blumenhandlung, die man schon von Weitem sieht, weil sie an einem großen Platz liegt. Vor den Schaufenstern befinden sich viele Tische und Regale mit Vasen voller Sonnenblumen, Rittersporn und dicken, leuchtend roten Gladiolen.
Irgendwie hatte ich mir die Blumenhandlung von Milas Mutter viel kleiner vorgestellt, obwohl Mila ja nie etwas erzählt hat. Vielleicht, weil sie von ihrer Mutter immer nur als psychisch labiler Person gesprochen hat?
Irgendetwas irritiert mich an dem, was ich da vor mir sehe, aber ich komme nicht darauf, was es ist. Vor dem Laden parken Autos. Leute steigen ein und aus oder laden Blumen in den Kofferraum. Aber es sind nicht die Blumen, es hat mit den Autos zu tun. Und plötzlich weiß ich es.
Direkt vor dem Laden auf einem Parkplatz, der mit »Privat« gekennzeichnet ist, parkt ein hellblauer alter Käfer.
Ist das ein Zufall, weil Augsburg die Stadt der Käferoldtimer ist, oder bedeutet es, dass Landgraf hier ist?
Ich bleibe stehen und überlege, was ich tun soll.
Im selben Moment kommen zwei Leute aus dem Laden. Die Frau sieht aus wie Mila, zart und dunkelhaarig, nur etwa zwanzig Jahre älter. Sie läuft Arm in Arm mit einem Mann – um genau zu sein: mit Landgraf. Sie gehen zu dem blauen Käfer, dort küssen sich die beiden innig. Er wirft eine schwere Tasche auf den Rücksitz, steigt ein und sie bleibt stehen, bis er weggefahren ist, und winkt ihm hinterher.
Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Null.
Mein Herz schlägt bis zum Hals. Davon hat mir Mila nie etwas gesagt. Wenn der Landgraf der Lover ihrer Mutter ist, warum hat sie mir das verschwiegen? Und warum hat er mir erzählt, er wäre auf dem Weg zur Arbeit? Sind Milas Geschichten über ihn einfach erstunken und erlogen? Doch woher stammen dann die
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