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Luegenherz

Luegenherz

Titel: Luegenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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Mythologie beschäftigt. Hel ist die Tochter des schrecklichen Loki und der Riesin Angrboda, daran erinnere ich mich noch ganz genau. Sie ist die nordische Todesgöttin, die halb weiß und halb schwarz dargestellt wird, als Zeichen dafür, dass sie schon halb verwest ist. Und wenn ich mich richtig erinnere, dann kommt das Wort Hölle auch von Hel.
    Ich habe Angst weiterzulesen, dabei ist es nur noch ein Satz:
    Ich würde den Anstecker dann gern bei seiner Beerdigung tragen.
    Mila
    Mein Herz setzt für einen kurzen Moment aus, ehe es anfängt, hart gegen meinen Brustkorb zu hämmern. Ungläubig starre ich auf den Monitor und lese den letzten Satz immer und immer wieder. Das kann nicht ihr Ernst sein. Mila redet von Landgrafs Beerdigung! Aber das heißt, das würde bedeuten, das wäre ja … Sie muss vollkommen verrückt geworden sein.
    Ich springe aus dem Bett, hole mein Handy und versuche mit zitternden Fingern, wieder Tom anzurufen. Nichts. Ich versuche es bei Jury. Der geht sofort ran.
    »Ich weiß genau, dass du morgen mit Landgraf zum Klettern gehst, und versuch ja nicht, mich wieder anzulügen!«, platze ich als Allererstes raus.
    Ich höre leises Lachen im Hintergrund. Er ist nicht allein.
    »Es ist Ally«, höre ich ihn zu der Person sagen, ehe er wieder ins Handy spricht. »Ally, ich weiß nicht, wie du auf so eine schwachsinnige Idee kommst, ich werde doch nicht mit so einem Psychopathen in eine Höhle steigen.«
    »Du lügst.« Plötzlich habe ich eine Eingebung. »Ist das Mila, die bei dir ist?«
    »Ja, gut geraten. Ich hoffe, du hast nichts dagegen, ich finde sie mittlerweile echt süß.«
    Hel!
    »Bitte, Jury, sag mir die Wahrheit. Es ist wichtig. Und ich fürchte sogar, es geht um Leben und Tod.«
    »Immer soo dramatisch, Scarface. Jetzt mach mal halblang.« Er lacht mich aus. Dann höre ich Milas Stimme, die ihm ins Ohr flüstert. »Sag ihr, dass alles geregelt ist und sie sich keine Sorgen zu machen braucht, sag ihr, dass wir jetzt noch etwas anderes vorhaben.«
    Hels Geschwister waren die gefürchtete Midgardschlange und der Fenriswolf.
    »Jury, bitte, Mila ist eine falsche Schlange, sie hat dir lauter Lügen erzählt. Bitte geh da morgen nicht hin, ich bin sicher, es wird etwas Schreckliches passieren. Hör mal, was immer sie dir erzählt hat, Mila lügt. Ich war heute in …«
    »Schwesterchen«, unterbricht Jury mich, »jetzt geh mal schön ins Bett, trink einen kalten Eistee und lass mich noch ein bisschen Spaß haben. Ich muss morgen früh aufstehen. Ja?« Er haucht ein Küsschen ins Telefon, dann legt er auf.
    Dieser Vollidiot legt einfach auf!
    Und ich kann Milas Gesicht beinahe vor mir sehen, ihr schmales süßes Gesicht, das Jury anschaut wie ein verletztes Reh. Möchte nicht wissen, was für eine Geschichte sie ihm wegen der Narben erzählt hat.
    Ich bin sicher, er geht morgen mit Landgraf zum Klettern und dabei wird etwas Schreckliches passieren. Wenn ich es schon nicht schaffe, Jury aufzurütteln, dann muss ich wenigstens Landgraf warnen.
    Hektisch suche ich im Telefonbuch nach Landgrafs Nummer – unter Tobias Landgraf finde ich tatsächlich einen Eintrag. Aber die Frau am Telefon behauptet steif und fest, ihr Mann sei schon gestern zum Höhlenklettern in die Fränkische Schweiz gefahren. Es wäre eine mehrtägige Höhlentour und er sei dort leider nicht erreichbar.
    Das kommt mir sehr merkwürdig vor, sie muss ihn falsch verstanden haben, denn mir hat er ja von Jury erzählt! Okay, wenn ich ihn auch nicht erreichen kann, dann brauche ich erst recht Hilfe. Von jemandem, der sich mit Höhlen oder wenigstens mit Klettern auskennt. Tom, ich versuch’s wieder bei Tom – nichts.
    Ich kann nicht schlafen, weiß nicht, was ich tun soll. Überlege mir, Mama anzurufen, aber ich weiß genau, dass sie alles als Hirngespinst abtun und knallharte Beweise von mir verlangen würde, bevor sie die Polizei alarmiert. Und was für harte Fakten habe ich denn schon? Die Mail von Mila hat nicht die mindeste Beweiskraft! Da steht ja nicht mal, von wessen Beerdigung sie spricht. Geschweige denn, dass sie jemanden töten wird.
    Ich setze mich an meine Werkbank. Und ganz so, als ob Mila magische Kräfte hätte, fange ich an, die Göttin des Todes zu zeichnen.
    Blödsinn! Ich werfe den Stift hin. Wie kann ich nur hier herumsitzen und malen? Ich muss was tun, muss zu Jury fahren, ihn rausklingeln, ihn daran hindern, dass er sich in eine tödliche Falle begibt.
    Ich stehe auf, ziehe mich mit flatternden Händen

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