Luegenprinzessin
hineinfällt. Es wäre also gut, wenn jemand Gewisser nun ganz rasch die Notbremse zieht, bevor er oder s ie sich selbst oder anderen Schaden zufügt. Der - oder die jenige weiß schon, wen ich meine. Allen anderen zur Erklärung: Eure Klassenkollegin leidet an einer Wespen-Allergie, doch anscheinend findet es jemand unter euch witzig, ihr das Notfallset zu verstecken. Das ist kein Kavaliersdelikt, das ist Körperverletzung. Sollte das Set nicht binnen der nächsten zehn Minuten auftauchen, werde ich nach unserer Rückkehr eure Eltern informieren. Alle Eltern. Wir treffen uns hier in exakt zehn Minuten wieder.«
Die Gruppe begann, sich aufzulösen, Mr Bean warf uns einen selbstzufriedenen Blick zu.
»Halt!«, rief ich. Ein paar wandten sich zu mir um. Bieninger runzelte die Stirn. »Sie haben die Hälfte weggelassen«, warf ich ihm vor. »Hört mir doch mal bitte alle zu!« Ich klatschte in die Hände, so lange, bis ich mir der Aufmerksamkeit aller gewiss war. »Wie ihr alle sehen könnt, sind mir heute Nacht die Haare geschnitten worden. Noch dazu von jemand echt Unbegabtem.« Vereinzeltes Kichern war zu hören, ich vermied es, in Davids Richtung zu sehen.
»Gestern ist unser Material gestohlen worden und die Rucksäcke von Felix und Chris wurden ruiniert. Von den Insekten in unseren Trinkflaschen ganz zu schweigen.«
»Ich hab den Fräuleins doch erklärt, dass ein Zeltlager kein Luxushotel ist. In der Wildnis kommt es schon mal vor, dass man ein Insekt im Glas hat«, schob Mr Bean genervt und wenig hilfreich dazwischen.
Was tat ich da eigentlich? Das hatte doch gar keinen Sinn! Geplant war, dass Bieninger ein Machtwort sprach, dass er mit der Polizei drohte, dass er uns ernst nahm. Wenn ich an seiner Stelle den Ernst der Lage unterstrich, machte das natürlich überhaupt keinen Eindruck. Es wirkte lediglich so, als stünde ich hier, um mich wichtig zu machen.
»Kommt noch was, Mia?«, rief Amelie mit gehässiger Stimme. »Oder bist du am Ende deiner Weisheit?«
Mir kam eine Idee. »Ganz im Gegenteil, Amelie! Ich bin jetzt sehr viel klüger als noch vor ein paar Stunden. Denn ich weiß jetzt, wer hinter alldem steckt.« An dieser Stelle machte ich eine Pause, um erstens meinem Publikum die Möglichkeit zu geben, meine Worte sacken zu lassen, und zweitens die Reaktion jedes Einzelnen zu prüfen. Leider sahen ausgerechnet meine Freunde so aus, als stünden sie unter Schock.
»Und ich gebe der verantwortlichen Person die Chance, sich selbst zu stellen. Sollte sie das nicht tun, werde ich mit meinen Informationen zur Polizei gehen. Und sollte mir oder sonst jemandem ernstlich etwas zustoßen, dann kann die betreffende Person sich jetzt schon auf einen langen Aufenthalt im Kittchen gefasst machen!«
»Das Fräulein sollte sich jetzt –«
Ich ignorierte sowohl Bieninger als auch das Gelächter aus dem Publikum und beendete meine Rede mit: »Mich zu töten, nützt übrigens gar nichts, ich habe nämlich alle Informationen –«
Das Gelächter wurde richtiggehend höhnisch.
»Jetzt wollen wir aber die Kirche im Dorf lassen!«, unterbrach mich Mr Bean scharf und zog mich beiseite. »Das Fräulein macht hier derart die Pferde scheu, das geht auf keine Kuhhaut mehr! Geht es dir wirklich gut, Mia?«
»Nein«, erwiderte ich. »Ich weiß nämlich, dass meine Freunde und ich in Gefahr sind, und ich weiß, dass Sie uns nicht glauben. Es geht mir also ganz und gar nicht gut.«
»Ich fürchte, das Fräulein macht aus einer Mücke einen Elefanten.«
»So, so, Mia, warst du also beim Anwalt und hast dort dein Beweisstück hinterlegt.« Quen und Amelie taten so, als müssten sie fast abbrechen vor Gelächter, und gaben sich einen High Five. Kinga stand stumm daneben. Hilflos sah ich zu, wie die ganze Gruppe sich langsam auflöste, Köpfe geschüttelt wurden, schräge Blicke in meine Richtung fielen und das alles in einer Wolke aus spöttischem Gejohle. Mia, die Größenwahnsinnige hatte wieder mal eine Show abgezogen, das war ja nichts Neues.
Willenlos ließ ich mich von Diana und Vero zum Zelt schleifen, wo Chris und Felix schon warteten.
»Was war denn das, Mieze?«
»Das war ein Plan, ein gar nicht so schlechter Plan. Eigentlich«, verteidigte ich mich wenig überzeugend.
»Du hast doch nicht wirklich eine Ahnung, wer es ist, oder?«
»Nein, natürlich nicht. Und ehrlich gesagt hätte ich auch nie gedacht, dass ausgerechnet ihr mir das abnehmen würdet. Aber ihr habt ja so erschrocken dreingesehen, als hätte
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