Luegenprinzessin
ich euch auf frischer Tat erwischt.«
»Scheiße, Mann, ich war so geschockt«, stieß Chris ganz entgegen seiner sonstigen Art hervor.
»Ich auch«, verkündeten Vero und Diana wie aus einem Mund.
Felix schüttelte leicht verächtlich den Kopf. Logisch. Immer der coole Macker. Obwohl mir ganz und gar nicht heiter zumute war, musste ich innerlich darüber lachen. Als hätte er meine Gedanken gelesen, hob er abwehrend die Hände. »Ich war nur überrascht, dass du so was überhaupt behauptest.« Er spitzte die Lippen und flötete: »Mich zu töten, nützt gar nichts, ich habe alles bei meinem Anwalt hinterlegt.«
»Idiot«, zischte ich. »Das mit dem Anwalt hab gar nicht ich gesagt. Mensch, kapiert ihr es wirklich nicht?« Prüfend drehte ich mich nach allen Seiten um und senkte die Stimme. »Ich hab das gesagt, um den Psycho zu erschrecken. Wenn er glaubt, dass wir wissen, wer er ist, bestehen doch gute Chancen, dass er damit aufhört. Und ich will, dass das alles endlich aufhört.«
»Aber so erfahren wir doch nie, wer es war«, raunte Vero, während sie ebenfalls die Umgebung mit den Augen abcheckte.
»Wichtig ist doch vor allem, dass es endlich endet, oder?«
»Und wenn er jetzt damit aufhört, aber nach einem Jahr Pause weitermacht? Dann, wenn keiner mehr dran denkt?«
Daran hatte ich nicht gedacht. »Mist«, entfuhr es mir. Was jetzt? Musste ich jetzt vor Bieninger und der ganzen Gruppe zugeben, dass ich es doch nicht wusste, und den Täter bitten weiterzumachen?
»Keine Sorge«, beruhigte Chris, »der Psycho verfolgt entweder ein klares Ziel, das er bisher sicher noch nicht erreicht hat, was bedeutet, dass er weitermachen muss. Oder aber er ist ein wirklicher Serientäter – und als solcher schafft er es ohnehin nicht aufzuhören. So oder so, es wird weitergehen.«
Ich bemühte mich um ein Lächeln. »God save the Wissenschaft.«
»And your English, Mia, yes, yes«, fügte Felix mit fürchterlichem Akzent hinzu, meinem fürchterlichen Akzent vermutlich. Sollte ich aus dieser Geschichte jemals heil rauskommen, würde ich meine Englischkenntnisse aufbessern. For sure. Echt jetzt.
Ich fühlte mich zwar ein klein wenig getröstet, doch gut ging es mir nicht. Um ehrlich zu sein, ich hätte an dem Tag viel darum gegeben, mit einem meiner vier Freunde zu tauschen. Denn die hatten alle nur ein Problem. Dass ihnen jemand Böses wollte. Dieses Problem hatte ich bekanntermaßen auch, aber zusätzlich musste ich noch mit der Tatsache zurechtkommen, dass ich mich vor versammelter Mannschaft zur Vollidiotin gemacht hatte. Gestern noch der Freak mit dem wandernden Auge, heute schon die Verrückte mit Verfolgungswahn. Dem Wahnsinn verfallen. Oder einfach nur wahnsinnig dämlich. Hinzu kam das untrügliche Gefühl, dass ich mit meiner unüberlegten Rede die Lage für mich und meine Clique insofern verschlimmert hatte, dass der Rest der Gruppe uns nun gar nicht mehr ernst nahm. Den absoluten Tiefpunkt erlebte ich aber, als ich während des Mittagessens hörte, wie Amelie und Quen Kinga davon zu überzeugen versuchten, dass die übergeschnappte Mia sich selbst die Haare abgeschnitten und ihre Freundin Vero mit Spray besprüht hatte. Die Verzweiflung trieb mir die Tränen in die Augen. Ich sprang auf und rannte hinaus.
Ich lief zum Abhang und kämpfte gegen den Drang, den Weg hinunterzurennen und für immer im Wald zu verschwinden. Wie sollte ich aus dem Schlamassel jemals wieder herauskommen? Eigentlich konnte mir nur einer helfen. Der Psycho. Nur, wenn er mich wirklich ermordete, würden mir endlich alle glauben. Es durfte nur nicht nach Selbstmord aussehen. Oh, wie wandelbar, Mia. Von der Heulsuse zur Zynikerin. Gratuliere!
»Na, alles gut bei dir?«
Ich fuhr herum. David stand vor mir und betrachtete mich amüsiert. »Krasse Rede, die du da gehalten hast.«
Ich hatte keine Ahnung, ob er sich über mich lustig machte, befürchtete es aber. »Schon klar«, murmelte ich.
»Wenn du einen Beschützer brauchst…« Er ließ den Satz unbeendet und jetzt wusste ich, dass er mich nur verarschte. Gottlob diente das dazu, wieder die Kämpferin in mir zu wecken. »Wenn ich einen Beschützer brauche, dann hebe ich meine Fäuste und verteidige mich.« Hoffentlich hatte das jetzt nicht zu emanzenhaft geklungen.
David grinste. »Bist ein starkes Mädchen, Mia.«
Ich grinste zurück. »Soll ich dir’s beweisen?«
Er kam näher, packte mich an den Armen, es tat fast weh. Ich erwiderte seinen intensiven Blick, fragte
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