Luegnerin
Kalziumionen in die Muskelzellen ein und verhindern die Muskelentspannung, was dann zur Totenstarre führt.«
»Das ist, wenn die Leiche ganz hart wird?«, fragt Tayshawn. Wieder kichern einige, aber er beachtet sie nicht.
»Ja«, sagt Yayeko. »Die Zellen sterben nach und nach ab und können die Bakterien nicht länger abwehren, wodurch sich der Körper schließlich zersetzt und die Muskeln wieder weich werden. Sobald der Körper tot ist, zieht er Fliegen an. Sie legen ihre Eier in offene Wunden und Körperöffnungen. Aus den Eiern schlüpfen dann Maden …«
»Nein«, sagt Sarah, hält sich die Hand vor den Mund und rennt aus dem Zimmer. Zwei Mädchen stehen auf und folgen ihr. Auch ich stelle mir vor, wie die Maden Zach auffressen. Maden in seinen Augen, Maden zwischen seinen Zehen, Maden überall auf ihm. Wie sie sich winden, fressen und sich in seinen Körper graben. Ich muss mich konzentrieren, damit ich nicht den anderen Mädchen aufs Klo folgen muss.
Als wir das Klassenzimmer verlassen, zischt Brandon mir zu: »Du bist nicht normal.«
Als ob ich das nicht selber wüsste.
NACHHER
»Ich wette, du hast ihn umgebracht«, sagt Brandon nach Bio. »Vermutlich hast du deinen Dad dazu gebracht, ihn verschwinden zu lassen.«
»Ich hab gehört, dass du es warst«, erwidere ich. »Weil du irgendwo gelesen hast:Wenn man jemanden umbringt, der besser ist als man selbst, und dann sein Hirn isst, dann wird man so wie derjenige.«
»Na, dann bist du jedenfalls vor mir sicher«, sagt Brandon. »Und alle anderen an dieser Schule auch.«
Ich lache und will ihm schon fast Waffenstillstand anbieten. Er geht weg. Ich folge ihm. »Warum zischst du mir eigentlich immer nur so beim Vorbeigehen solche Sachen ins Ohr?«
»Du machst wohl Witze, oder? Ich kann es mir nicht leisten, dass jemand sieht, wie ich freiwillig mit so einer Mörder-Missgeburt wie dir rede. Ich wünschte, du würdest wieder diese Maske tragen. Dann müssten wir alle wenigstens nicht dauernd dein missratenes Gesicht sehen. «
»Halt die Klappe, Brandon, oder ich sage meinem Vater, dass er sich dich mal vorknöpfen soll.« Für einen kurzen Augenblick versuche ich mir vorzustellen, wie es wäre, so einen Vater zu haben. Einen, der jederzeit bereit wäre, sich mit meinen Feinden anzulegen.
Brandon wirft mir einen kurzen Blick zu, so als versuchte er abzuschätzen, ob das, was ich gesagt habe, wahr sein könnte, er aber gleichzeitig seine Augäpfel nicht kontaminieren wollte, indem er mich richtig anschaut. »So wie sich dein Dad Zach vorgeknöpft hat?«
Ich möchte Brandon wehtun. Ihm eine Ohrfeige verpassen, ihn in die Eier treten und in seine Augen spucken. »Du wirst nie so gut sein wie er, ganz egal, wie sehr du es auch versuchst.« Das stimmt, aber es klingt deswegen nicht weniger lahm.
Brandon lacht und entfernt sich so schnell er kann von mir. Er weiß, dass er gewonnen hat.
MEINE GESCHICHTE
Manchmal bin ich stundenlang still.
Es ist, als würde ich warten. Beobachten. Abwarten. Wenn ich so weit bin, dann springe ich.
Manchmal fühlt sich mein ganzes Leben so an.
Das habe ich Zach nie erzählt, aber ich glaube, er hätte es verstanden.
Es gibt vieles, das ich Zach nicht erzählt habe, obwohl ich es hätte erzählen sollen.
Manchmal macht mich der Gedanke an ihn ganz still und drängt alles andere beiseite.
Manchmal kann ich kaum still sitzen.
Ich tigere hin und her.
Mom hasst das. Dad schaut mich nervös an.
Wenn ich umhertigere, kommt mir unsere Wohnung so klein vor, dass ich nicht verstehe, wie wir vier hier überhaupt hineinpassen.
Vier? , fragt ihr.
Ja.
Vier.
Ich, Mom, Dad, Jordan.
Mein Bruder. Mein kleiner Bruder. Mein zehnjähriger Bruder Jordan.
Er hat die gegenteilige Wirkung auf mich. Er ist das Gegenteil von Zach.
VORHER
Die nächste große Lüge in meinem ersten Jahr an der Highschool, nachdem ich mich erst als Junge und dann als Hermaphrodit ausgegeben hatte, war, die anderen glauben zu machen, mein Vater sei ein Waffenhändler.
Ich kann immer noch nicht begreifen, wie sie mir das abnehmen konnten.
Alles fing damit an, dass Dad mich in einer langen schwarzen Limousine von der Schule abgeholt hat. Nicht einfach nur lang, sondern megalang. Fast so lang wie der ganze Häuserblock. Er schrieb damals einen Testbericht über einen neuen Luxuslimousinen-Verleih und musste dafür den gesamten Service testen, inklusive Champagner und Blumen und dem Versprechen der Firma, einen jederzeit an jeden Ort zu fahren.
Also hat
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