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Luegnerin

Luegnerin

Titel: Luegnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justine Larbalestier
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recke mein Kinn ein wenig höher in die Luft und schlängele mich durch die Tische. Dabei versuche ich, meine Ohren gegenüber dem Geflüster zu verschließen, aber mein Gehör ist einfach zu gut.
    Sie reden über mich und Zach. Fassungslosigkeit hallt durch den Raum und folgt mir auf den Flur hinaus. Wie konnte er nur? Ausgerechnet mit der ?
    Ich hasse Englisch. Selbst wenn keiner hinter mir her tuschelt.
    Die Polizistin lächelt mich an. »Ich bin Officer Lewis.« »Micah«, sage ich, obwohl sie das schon weiß, weil sie ja meinen Namen aufgerufen hat. Ob sie wohl das Getuschel mitgekriegt hat?
    »Zum Kunstsaal geht es hier lang«, erklärt sie mir, und damit sind wir quitt. Ich habe ihr etwas gesagt, was sie schon wusste, jetzt sagt sie mir etwas, das ich schon weiß.
    Sie ist kleiner als ich. Sie sieht jung aus. So als könnte sie noch in der Highschool sein. Ihre Uniform ist ordentlich und sie hat eine Pistole in einem Lederholster an ihrer Seite. Ob sie wohl je damit geschossen hat?
    »Keine Angst«, sagt sie. »Eine von euren Lehrerinnen, Ms Yayeko Shoji, wird dabei sein. Wir möchten dir nur ein paar Fragen stellen.Vielleicht kannst du uns dabei helfen herauszufinden, was mit Zachary geschehen ist.«
    »Haben Sie schon irgendeine Ahnung?«, frage ich sie. »Ist er wirklich ermordet worden? Das sagen alle.«
    »Tut mir leid, das kann ich nicht beantworten. Die Ermittlungen
laufen noch«, sagt sie und lächelt weiter. »War er ein guter Freund von dir? Es ist schwer, wenn jemand, den man mag, stirbt.«
    »Nein«, sage ich und fühle mich einen Augenblick lang schwerelos. Ich rutsche auf einer Fliese aus. Die Polizistin streckt den Arm aus, um mich festzuhalten. »Rutschig hier«, sage ich. »Er war kein Freund von mir. Es ist komisch. Wissen Sie … jemand, den man jeden Tag gesehen hat.«
    Sie tätschelt mir die Schulter. »Verstehe«, sagt sie.
    Ich hoffe, sie versteht nichts, und folge ihr den leeren Flur entlang zum Kunstsaal.

NACHHER
    »Das ist Micah Wilkins«, sagt Officer Lewis.
    Zwei Männer nicken. Einer von ihnen, ein großer Dünner, steht an die Wand gelehnt. Seine Ellbogen stoßen gegen ein Bild, das jemand von einer explodierenden Kuh gemalt hat. Jedenfalls sieht es so aus. Der andere Mann sitzt in einem Stuhl, der zu klein für ihn ist. Es sieht aus, als würde er jeden Augenblick unter seinem Gewicht zusammenbrechen. Er ist viel dicker und grauhaariger als der stehende Mann. Keiner von beiden trägt eine Uniform, und falls sie Pistolen haben, so kann ich sie jedenfalls nicht sehen.
    Officer Lewis deutet auf den Stuhl neben Yayeko Shoji,
die sich umdreht und mir zunickt. Unter dem Tisch drückt sie mir kurz die Hand. Einen kurzen Augenblick lang glaube ich, dass ich gleich anfange zu weinen.
    Officer Lewis bleibt an der Tür stehen. Ich nehme auf der Stuhlkante Platz und rolle die Zehen ein. Ich war schon seit der Zehnten nicht mehr im Kunstsaal. Damals habe ich es gehasst und daran hat sich auch jetzt nichts geändert. Der Geruch von Farbe, von Pinselreiniger, Ton, Kleber, Kreide, Bleistift und Staub ist überwältigend.
    Ich niese. Yayeko wünscht mir »Gesundheit«.
    Warum ist der Kunstsaal nie sauber? Ich schaue mir die chaotischen Bilder an, die Skulpturen, die Schränke und Tische und Stühle, die in jeder vorstellbaren Farbe bekleckst sind.
    »Micah«, sagt der ältere Mann und hebt kurz den Blick, nur um ihn gleich wieder auf seine Notizen zu heften. »Micah Wilkins. Ich bin Detective Rodriguez.«
    »Hallo«, sage ich. Ich frage mich, ob sie sich wohl absichtlich den Kunstsaal ausgesucht haben in der Hoffnung, dass die hässlichen Kunstwerke uns dazu bringen zu gestehen.
    Der andere Mann schaut auf mich hinunter, bleckt die Zähne und sagt: »Detective Stein.«
    Ich lächele, aber es ist ein zaghaftes Lächeln. Ich schaue zu Yayeko hinüber; sie nickt.
    »Wir werden dir jetzt ein paar Fragen stellen. Ist das in Ordnung für dich, Micah?«, fragt Detective Rodriguez.
    »In Ordnung«, sage ich. Dabei ist gar nichts in Ordnung. Ich will keine Fragen beantworten. Ich will nicht über Zach reden. Ich will am liebsten weglaufen.
    »Alles, was dir einfällt, selbst wenn es dir irgendwie unwichtig
vorkommt«, fährt Rodriguez fort. »Es könnte uns bei diesem Fall weiterhelfen. Es ist wichtig, dass du gut nachdenkst und uns alles erzählst, an das du dich erinnern kannst.«
    »In Ordnung«, sage ich noch einmal.
    »Hast du Zachary Rubin gut gekannt?«
    Ich schüttele den Kopf.
    »Hast du ihn

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