Luegnerin
überhaupt gekannt?«
»Wir waren in manchen Fächern zusammen.«
»In welchen?«
»Biologie«, sage ich und werfe einen Blick zu Yayeko hinüber. Sie lächelt. »Englisch, Mathe, Gefährliche Worte.«
»Gefährliche Worte?«, fragt Detective Stein.
»Da geht es um Zensur.«
»Interessant«, sagt er, aber ich merke genau, dass er eigentlich komisch damit meint.
»Wann hast du ihn zum letzten Mal gesehen?«, fragt Rodriguez.
»Freitag, glaube ich. Im Unterricht.« Freitagabend, als wir im Central Park herumgelaufen sind. »In Gefährliche Worte.«
»Ist dir irgendetwas an ihm aufgefallen? Wirkte er anders als sonst?«
»Anders?«
Der Mann nickt.
»Ich hab ihn nicht wirklich angeschaut«, sage ich. »Er ist – er war – beliebt. Das bin ich nicht. Ich gehe ihm aus dem Weg. Ich glaube nicht, dass er in der Schule jemals ein Wort mit mir gesprochen hat. Oder ich mit ihm.«
Detective Stein schaut zu mir hinab. »Ich dachte, dass es so was an dieser Schule nicht gibt. Ist das hier nicht so
eine alternative Schule, wo alle glücklich sind und keiner in der Pause verdroschen wird?«
»Hat diese Frage irgendetwas mit Ihrer Untersuchung zu tun?«, fragt Yayeko.
»Ich bin nur verwundert, Ms Shoji«, sagt Stein. »Ich hätte nicht gedacht, dass es an so einer Hippie-Schule besonders beliebte Schüler gäbe.«
»Überall, wo Menschen sind, gibt es Hierarchien«, bemerkt Yayeko.
»Das stimmt allerdings«, sagt Stein. »Und Zachary Rubin stand in der Hierarchie dieser Schule also weit oben? Stimmt das so, Micah?«
»Ja, total«, sage ich. »Und zwar bei den Schülern und bei den Lehrern. Er war gut in allem. Besonders im Ballspielen. «
»Ballspielen?«, wiederholt Stein mit einem spöttischen Unterton in der Stimme. »Ich dachte, dass an Schulen wie dieser nicht viel Wert auf Sport gelegt wird.«
»Das tun wir auch nicht«, sagt Yayeko. »Jedenfalls nicht im Vergleich zu herkömmlichen Schulen. Aber manche unserer Schülerinnen und Schüler sind einfach besonders sportlich.«
»So wie Zachary?«, fragt Stein.
»Ja, wie Zachary«, bestätigt Yayeko.
»War er jemals gemein zu dir, Micah? Das kommt bei besonders beliebten Jugendlichen des Öfteren vor.«
»Nein.«
»Wo stehst du in der Schul-Hierarchie?«
»Nicht sehr hoch.« Ich ziehe es vor, unsichtbar zu bleiben. Wobei ich das ja nun nicht mehr bin. Das habe ich Brandon zu verdanken.
»Micah ist eine meiner besten Schülerinnen. Bei mir ist sie sehr beliebt«, sagt Yayeko, und ich wünschte, sie hätte das nicht getan. Detective Stein grinst weiter spöttisch.
»Glaubst du, dass andere Schüler neidisch auf Zachs Beliebtheit waren?«, fragt Detective Rodriguez.
»Ich weiß es nicht«, sage ich. »Vermutlich.« Brandon Duncan ist es bestimmt. War es.
»Du sagst, Zachary war beliebt«, sagt Rodriguez. »Mochtest du ihn?«
»Klar«, sage ich. »Jedenfalls hatte ich ganz sicher nichts gegen ihn. Er wirkte immer sehr nett. Er hat mir nie was getan. Oder sonst irgendjemandem, soweit ich das bemerkt habe.«
»Aber andere Schüler schon?«, fragt Stein.
»Was?«, frage ich.
»Andere haben dir was getan.«
»Ich kann mich schon wehren«, sage ich und verschränke die Arme vor der Brust. Ich wette, Detective Stein war genauso unbeliebt wie ich. Noch unbeliebter wahrscheinlich. Ich wette, dass es ihn nervös macht, wieder in einer Schule zu sein. Selbst wenn es so eine Hippie-Schule ist wie unsere.
»Bestimmt kannst du das«, sagt Stein. »Und welche Schüler haben dich dazu gebracht, dass du dich wehren musstest?«
»Keiner besonders. Meistens werde ich in Ruhe gelassen.«
Stein starrt mich an. Ich merke, dass er mir nicht glaubt.
»Nun gut, wenn dir noch etwas einfällt, was uns in unserer Untersuchung weiterbringt«, sagt Rodriguez mit einem Blick zu Stein und dann zu mir, »dann meldest du dich einfach bei uns.«
Ich nicke. »Das mache ich.«
»Du kannst jetzt wieder in den Unterricht zurückgehen. «
Das tue ich nicht. Stattdessen gehe ich aufs Klo und verstecke mich bis zum Beginn der nächsten Stunde in einer Kabine. Ich will erst mal für eine Weile kein Getuschel mehr hören.
VORHER
Es stimmt, dass Zach in der Schule nie mit mir gesprochen hat. Er hat mich auch nicht angeschaut. Jedenfalls nicht davor. Danach hat er manchmal meinen Blick aufgefangen, wenn er sicher war, dass kein anderer ihn oder mich ansah. Kein Problem, einen Augenblick zu erwischen, in dem mich keiner ansah, bei ihm selbst war das weit schwieriger.
Wir haben uns im
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