Luegnerin
Tayshawn hat gesagt, das hättest du zu ihm gesagt, als du ihm verraten hast, du wärst ein Mädchen und ein Junge.«
»Das hat Tayshawn dir erzählt?« Ich lehnte mich gegen die Wand und sackte ein wenig in mich zusammen. Das Reden führte dazu, dass Zach mich nicht berühren wollte. Ich wollte, dass wir aufhörten zu reden und uns lieber küssten.
»Tayshawn sagt mir alles. Du hast zu ihm gesagt, du
hättest es noch keinem sonst verraten, aber dann bist du losgegangen und hast es Chantal und Brandon und wer weiß wem noch erzählt.«
»Na ja, sie haben mich ständig genervt, nur weil ich so getan hatte, als wäre ich ein Junge. Ich wollte, dass sie endlich Ruhe geben.«
Zach sagte nichts mehr, aber ich spürte, dass er mir nicht glaubte. Zugegeben, es war eine Lüge. Ich hatte es ihnen erzählt, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen, weil es Spaß machte, sie zu verarschen und das Erschrecken auf ihren Gesichtern zu beobachten.
Zach legte seinen Daumen auf meinen Mund, so als wollte er es nicht hören. Meine Lippen fühlten sich ganz warm und kribbelig an.
»Seit wann lügst du schon so?«, fragte er. »Tayshawn glaubt, dass du gar nicht weißt, wie man die Wahrheit sagt. Woher kommt das?«
»Wie kommt es, dass du mit Tayshawn über mich redest?«, fragte ich. Ich wollte seine Frage nicht beantworten. »Ich dachte, wir wären ein Geheimnis.«
» Wir sind Kerle, wir reden über gar nichts. Jedenfalls nicht so wie Mädels. Ich hab ihm nie von dir und mir erzählt. Wir sind ein Geheimnis. Das war vorher, als alle über dich geredet haben.«
»Na toll.«
Zach lachte. »Na ja, du gibst dich als Junge aus, du lügst von vorne bis hinten – darüber reden die Leute halt.« Er nahm mein Gesicht in beide Hände und küsste mich dann, ein kurzer Kuss mit geschlossenen Lippen. Nicht die Art von Kuss, nach der ich mich sehnte. »Wie lange lügst du schon so?«
»Mein ganzes Leben lang«, sagte ich, weil er die Wahrheit wissen wollte.
Das ist die Wahrheit. Ich weiß nicht, ob Zach mir geglaubt hat, aber ich hoffe, ihr tut es. Weil ihr die Einzigen seid, denen ich noch nie etwas vorgelogen habe.
»Was?«, fragte Zach und zog seine Hände weg. »Als du ein Baby warst und in der Wiege lagst und an deinem Schnuller genuckelt hast, da hast du auch schon Lügen erzählt?«
»Okay, gut, dann habe ich vielleicht nicht schon immer Lügen erzählt. Aber sobald ich angefangen habe zu sprechen, schon. Ich hab’s von meinen Eltern gelernt. Also, vor allem von meinem Dad. Die Lügen von meiner Mutter sind nur Notlügen. ›Gut siehst du aus!‹ ›Ach, so spät ist es schon?‹ So was. Du weißt schon.«
»Normale Lügen.«
Ich stimmte ihm zu. »Und was ist mit dir? Was für Lügen erzählst du?«
»Ganz normale. Und so wenige wie möglich. Ich mag das nicht.«
»Warum nicht?«
Er zuckte die Schultern. » Weil es nicht richtig ist.«
»Und was sagst du Sarah, wenn du mit mir zusammen bist?«
»Nur harmlose Notlügen, die keinem schaden. Aber deine Lügen sind verrückt. Warum hast du so getan, als wärst du ein Junge? Und dass du als Zwitter geboren wurdest? Warum lügst du die ganze Zeit?«
»Wenn man ein großes Geheimnis hat, dann verbirgt man das am besten hinter vielen kleinen.«
»Und was ist dein großes Geheimnis, hä?«
Aber der Zeitpunkt war verpasst. Ich würde ihm nichts mehr über die Familienkrankheit erzählen. »Das kann ich dir nicht sagen.«
»Dann kitzele ich es aus dir heraus«, sagte er und wollte mich unter den Achseln kitzeln.
»Nein!«, schrie ich und versuchte, mich wegzurollen, aber ich lag an der Wand. »Das wirst du nicht!«
Ich packte seine Handgelenke. Er wand sich heraus. Er war auf mir und dann ich auf ihm, und wir drehten uns immer weiter herum und herum, bis es weniger Gekitzel und Geschrei gab und unsere Münder sich nahe kamen und unsere Herzen schneller schlugen und ich vergaß, was er gefragt hatte. Ich verlor mich im Geschmack seines Mundes, dem Gefühl seiner Zunge und seiner Lippen an meinen.
»Micah«, hauchte Zach. »Es ist mir egal, was du bist.«
Aber mir nicht.
Nicht damals und nicht heute.
MEINE GESCHICHTE
Ihr fragt euch jetzt, ob wir zusammen geschlafen haben, was?
Ich weiß, dass ihr das wissen wollt. Genau wie alle anderen. Haben sie’s getan?
Und da bin ich und erzähl euch von uns zwei zusammen im Bett . Ohne zu erwähnen, ob wir nun Klamotten anhatten oder nicht. Und was wir da taten.
Reden.
Ihr glaubt mir nicht, dass da nicht mehr zwischen uns lief?
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