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Luegnerin

Luegnerin

Titel: Luegnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justine Larbalestier
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zwischen uns war, nicht Liebe war. Es war etwas Stärkeres. Ich und er, wir waren nicht wie er und Sarah oder er und irgendjemand sonst. Oder wie irgendwelche anderen Paare.
    Das hatte Zach gesagt.
    Und dann ist er weggegangen. Und nicht zurückgekommen.
    Ich dachte, er würde zurückkommen. Ich war mir sicher. Selbst jetzt warte ich noch immer auf ihn.
    Ich habe die Maske getragen, um mein Gesicht unbewegt und unsichtbar zu machen. Um alles in mir zu bewahren, wo es hingehörte.
    Als die Worte den Mund von Direktor Paul verließen – in dem Augenblick –, hätte ich ihn fast angesprungen. Um
ihm den Mund zuzuhalten. Oder ihm die Kehle herauszureißen.
    Damit die Worte drinblieben.
    Weil Zach dann vielleicht noch leben würde.
    Und ich nicht so allein wäre.

VORHER
    Zu den wahren Dingen, die ich der Polizei erzählt habe, gehörte, dass die letzte Unterrichtsstunde gemeinsam mit Zach »Gefährliche Worte« gewesen war, bevor er verschwunden ist an dem Wochenende – bevor er ermordet wurde. Das ist nicht annähernd so gut wie Bio, aber es ist das einzige andere Fach, das ich nicht explizit hasse. Zum Teil, weil Lisa Aden toll aussieht, und zum anderen, weil sie auch noch ziemlich schlau ist und es manchmal irgendwie interessant ist zu hören, was alles zensiert oder verboten wird und wie sich die Bedeutungen von Wörtern verändern. All so was.
    Wir brauchen die schriftliche Erlaubnis unserer Eltern, an diesem Unterricht teilzunehmen. Weil wir in Gefährliche Worte so viele Schimpfwörter benutzen dürfen, wie wir wollen. Aber keiner tut es. Man hat irgendwie das Gefühl, dass man es nicht wirklich darf. Es kommt einem vor, als sollten wir so ausgetrickst werden.
    Wir nehmen in diesem Klassenzimmer nur dann Schimpfwörter in den Mund, wenn wir laut vorlesen. Sie
kommen in manchen der vorgeschriebenen Bücher vor. Aber es fühlt sich seltsam und gezwungen an, und wir stolpern über dieselben Wörter, die uns außerhalb des Klassenzimmers ebenso leicht wie Lügen über die Lippen gehen.
    Über die Lippen der meisten. Sarah habe ich noch nie fluchen hören.
    Keiner sprach die Wörter aus, die wir hier angeblich aussprechen durften. Nicht bevor unsere Lehrerin Lisa Aden an dem Freitag, bevor Zach ermordet wurde, einen Gast zu uns einlud. Einen Schriftsteller. Einen ausländischen Schriftsteller, aus England oder so. Ich habe nicht aufgepasst, als er vorgestellt wurde oder als er anfing zu reden. Ich habe überhaupt nicht zugehört, bis er ein Stück Kreide genommen und angefangen hat, die übelsten Wörter an die Tafel zu schreiben. Schön säuberlich eins unter dem anderen. Dann achteten plötzlich alle auf die Kreide in seiner Hand und die Wörter, die er schrieb.
    Er hat jedes einzelne Wort an die Tafel geschrieben und auf eine Weise ausgesprochen, als wäre es nichts anderes als »ja« oder »nein« oder »Kuchen« oder »Himmel«. Hinter jedes Wort schrieb er ein Datum. Weit zurückliegende Daten. Jedes einzelne Wort war Hunderte von Jahren alt. Aus dem 14. oder 15. oder 16. Jahrhundert. Ich versuchte, mir die Leute damals vorzustellen, wie sie diese Wörter sagten, aber es gelang mir nicht.
    »Diese Angaben beziehen sich natürlich auf die frühesten geschriebenen Zeugnisse«, sagte er. »Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Wörter selbst noch viel älter sind. Sehr viel älter. Aber sie wurden nicht aufgeschrieben. Das ist
bei Tabu-Wörtern oft der Fall. Bis in jüngster Zeit war die geschriebene Sprache in der Regel formeller als die gesprochene. «
    Er hielt inne und schaute uns an, als erwarte er, dass wir etwas dazu sagten. Mir fiel auf, dass Lisa Aden die Farbe gewechselt hatte. Sie war noch weißer im Gesicht als sonst, mit Ausnahme ihrer Wangen, wo sich alles Blut ihres Körpers gesammelt zu haben schien.
    »Natürlich waren einige dieser Wörter nicht immer schon tabu. Und ihr heutiger Gebrauch ist nicht notwendigerweise derselbe wie ursprünglich einmal. Wörter verändern sich. Ich bin sicher, dass eure Lehrerin euch bereits erzählt hat, dass das englische Wort ›girl‹ ursprünglich die Bezeichnung für Kinder beiderlei Geschlechts war.«
    Hatte sie nicht.
    »Das hier ist mein Lieblingswort.« Er tippte auf das schlimmste Wort auf der Tafel und unterstrich es. Das Rot in Lisas Wangen breitete sich noch weiter aus. »Das ist hier in Amerika wohl das schockierendste Wort. Aber bei uns, wo ich herkomme, hat es keine besonders heftige Bedeutung. Man benutzt es sogar ganz normal als Bezeichnung für

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