Luegnerin
die Hand noch immer um meinen Oberarm gelegt hat. »Wo hast du denn so was gelernt?«
»Mein Dad war früher mal Boxer«, lüge ich.
LÜGE NUMMER 4
Was ich der Polizei erzählt habe, ist nicht wirklich das, was passiert ist, als ich Zach zum letzten Mal gesehen habe.
Die Schule war aus. Wir waren beide in der Bibliothek und leisteten unseren Dienst für die Schulgemeinschaft ab. Brandon und Chantal waren nicht da. Sie hatten es vergessen.
»Wie hast du die Füchse neulich gefunden?«, flüsterte Zach. Wir standen vor den Regalen mit der Literatur. Zach sortierte ein, und ich zog die Bücher heraus, die an der falschen Stelle standen.
Wir waren nicht alleine da. Die Bibliothekarin, Jennifer Silverman, und ein paar jüngere Schüler, die an einem Projekt arbeiteten, das eine Menge lautes Gerede und Gekicher mit sich zu bringen schien.
»War keine große Sache«, sagte ich.
Zach hörte gar nicht zu. »Ich hab gesehen, wie du ihnen gefolgt bist. So was hab ich noch nie erlebt. Der Weg war für dich wie hell erleuchtet: Zu den Füchsen – hier entlang! Ich hab in diesem Park noch nie einen Fuchs gesehen, bis du’s mir gezeigt hast. Du hast magische Fähigkeiten oder so.«
Ich senkte den Blick, um mein Grinsen zu verbergen.
»Was ist?« Jetzt passte er auf.
»Das war sozusagen Beschiss.«
»Was für ein Schock. Sie lügt. Sie bescheißt.«
Er berührte mich am Unterarm. Ich versuchte, nicht darauf zu achten. Nur Pheromone. Chemische Rezeptoren. Biologie. Kontrollierbar. Ignorierbar.
»Für mich hat es aber echt gewirkt«, sagte Zach. » Wieso war es Beschiss?«
»Ich hatte den Fuchsbau schon vorher gesehen«, gestand ich. »Ich wusste also, wohin der Fuchs laufen würde. «
»Aha. Okay. Das wusstest du schon. Mist.«
»Du solltest dein Gesicht sehen.«
Er wirkte wütend, sauer und gleichzeitig irgendwie beeindruckt.
»Du bist ganz schön durchtrieben, weißt du das?«
Ja, das wusste ich.
»Du nervst. Du kannst gar keine Spuren lesen. Und ich dachte schon, du wärst wie so eine Waldläuferin oder so! Verdammt!«
»Bin ich auch. Ich hätte die Füchse auch so aufspüren können. Ich brauchte es nur nicht, das ist alles.«
»Warum sollte ich dir glauben?«, fragte Zach und ich spürte, dass er echt sauer war. »Du lügst doch ständig.«
»Aber diesmal nicht. Mit Tierspuren kenne ich mich wirklich aus. Und mit Jagen. Ich bin jeden Sommer draußen in der Wildnis bei meinen Großeltern. Wir gehen oft zusammen auf die Jagd.«
»Behauptest du jedenfalls.«
»Großes Pfadfinderehrenwort.«
»Du bist kein Pfadfinder, und selbst wenn du einer wärst, würde ich dir nicht glauben. Du bist eine Lügnerin, Micah.«
»Ich könnte dich aufspüren«, sagte ich. »Geh und versteck dich im Park, und dann wirst du sehen, wie verdammt einfach es für mich ist, dich zu finden.«
»Pssst!«, sagte die Bibliothekarin und kam zu uns herüber. »Ich weiß, dass die Schule vorbei ist, aber ihr müsst ja nicht gleich so rumschreien.«
»Entschuldigung, Jennifer«, sagte Zach.
»Tschuldigung«, murmelte ich.
Sie ging zurück an ihren Schreibtisch.
»Und woher soll ich wissen, dass du nicht wieder bescheißt? «
»Ich kann gar nicht bescheißen. Ich weiß ja nicht, wohin du gehst.«
Zach überlegte und stellte das Buch, das er in der Hand hielt, ins Regal, bevor er sich das nächste vom Wagen nahm. »Einverstanden«, sagte er. »Wie willst du’s machen?«
Jennifer, die Bibliothekarin, kam wieder zu uns rüber und reichte Zach noch ein paar Romane zum Einsortieren.
Ich hockte mich hin und stellte die Bücher im untersten Regal richtig hin. Sie lächelte uns beiden zu und kehrte an ihren Schreibtisch zurück. Zwei der Bücher standen im
falschen Regal: eines über Zensur in der Sowjetunion und das andere ein Lehrbuch über anorganische Chemie. Keines von beiden gehörte zwischen die Romane der Autoren mit den Anfangsbuchstaben Q und R.
» Wir gehen beide über den Columbus Circle rein«, sagte ich zum Regal. »Ich eine halbe Stunde nach dir.«
»Und was hindert dich daran, mir zu folgen?«
»Ich tu’s einfach nicht.«
Zach machte sich nicht die Mühe zu antworten. Er war noch immer sauer. Ich fragte mich, ob es komisch von mir war, dass ich ihn am liebsten küssen wollte. Er wandte sich wieder dem Einräumen zu.
»Also gut. Ich gehe jetzt. Du kommst dann nach und suchst mich, wenn Jennifer dich rauslässt.«
Er küsste mich rasch auf den Mund und ich wäre beinahe rot geworden. Rasch blickte ich mich um,
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