Luegst du noch oder liebst du schon Roman
den Champagner.
Gegen Viertel vor elf wird es allmählich dunkel, und die Lichter am Containerhafen gehen nach und nach an.
»Romantisch, nicht?«, necke ich Franca, die in einem fort seufzt und verzückt auf das illuminierte Elbpanorama schaut.
Das Idyll wird allerdings jäh gestört, als plötzlich Blitze am Horizont zucken. Was wir zunächst für sommerliches Wetterleuchten halten, wächst sich innerhalb kürzester Zeit zu einem handfesten Gewitter aus. Es beginnt zu regnen, und wir packen hastig die Sachen zusammen. Die Decke halten wir über uns wie ein Zelt und rennen, so schnell es geht, Richtung Museumshafen. Das letzte Schiff geht um kurz nach elf, bis dahin müssen wir unter dem Haltestellenhäuschen Platz finden.
Als wir dort ankommen, sehen wir jedoch die Elbfähre gerade noch von hinten. Mist! Entweder geht meine Uhr falsch, oder ich habe mich mit der Abfahrtszeit vertan.
»Sieht so aus, als bräuchten wir ein Taxi«, entscheide ich und wähle die Nummer, die in meinem Handy gespeichert ist. Wir schleppen uns keuchend die steile Strandtreppe zur Elbchaussee hinauf und sind mittlerweile bis auf die Knochen durchnässt. Als der Fahrer wissen will, wohin er uns bringen soll, sehen wir uns ratlos an.
Zu Franca können wir nicht, weil ihre Mutter immer noch zu Besuch ist.
Und zu mir auch nicht, weil Franca sich bestimmt wundern würde, warum es in meiner Wohnung kein Kinderzimmer gibt.
27
Und tschüss!
FRANCA PETERS - SAMSTAG, 26. JUNI
Ich stehe mit Sammy am Absperrgitter des Terminals vom Flughafen Fuhlsbüttel und winke Ralf und Britta nach.
Es ist so weit - die beiden sind tatsächlich auf dem Weg nach New York.
Ralf dreht sich ein letztes Mal um, lächelt uns zu und zeigt mit dem Daumen nach oben. Britta hingegen stolziert einfach weiter. Vermutlich ist sie froh, das Hamburger Leben endlich hinter sich zu lassen und Ralf bald ganz für sich allein zu haben.
»Komm, Schätzchen, wir gehen nach oben zur Aussichtsplattform, dort spendiere ich dir ein Eis«, locke ich Sammy, der sich nur schwer vom Anblick seines Vaters losreißen kann. Widerstrebend lässt er sich die Rolltreppe nach oben schieben, nicht einmal die Aussicht auf einen Eisbecher scheint ihn zu motivieren.
Oben angekommen, bestelle ich einen Coffee-to-fly, ein alberner Name, denn schließlich fliege ich ja gar nicht.
Wir haben Glück und ergattern die letzten beiden freien Stühle an einem der Tische mit Blick auf die Startund Landebahn.
»Guck mal, Liebling, da fährt ein Polizeiwagen, ist das nicht spannend?«, sage ich zu Sammy, der lustlos an seiner Eiswaffel herumspielt. »Und da ist ein Traktor, der Rasen mäht.« Ich fühle mich hundeelend bei meinen Bemühungen, ihn bei Laune zu halten. Egal, was ich jetzt sage oder tue - es kann meinen Sohn nicht darüber hinwegtrösten, dass er seinen Vater für lange Zeit nicht mehr sehen wird. Es sind zwar bald Sommerferien, und somit hätte Sammy natürlich die Möglichkeit, Ralf zu besuchen, aber ich mag die Vorstellung nicht, dass er unter Aufsicht einer wildfremden Stewardess so lange im Flugzeug sitzt, um schließlich in einem Großstadtmoloch wie New York zu landen. Er sollte seine Ferien lieber am Meer verbringen oder auf einem Bauernhof.
Momentan habe ich allerdings noch keine Vorstellung davon, wie ich die kommenden sechs Wochen gestalten werde. Normalerweise hatte Ralf Sammy immer für drei Wochen, aber das fällt ja in diesem Jahr flach. Einen Teil der Zeit kann ich ihn zwar im Sommerhort unterbringen, und auch meine Mutter hat angeboten, einzuspringen, aber auf Dauer ist das alles keine Lösung.
»Habt ihr nicht bald Schulaufführung?«, frage ich Sammy, um ihn ein bisschen aus der Reserve zu locken. Ich weiß ja, wie gern er musiziert, Theater spielt und seit Neuestem sogar tanzt.
»Mhmmmm«, antwortet Sammy und schweigt dann.
»Und worauf tanzt ihr?«, hake ich weiter nach.
»Auf Rasen«, antworte er knapp, und ich muss lachen. Eigentlich wollte ich wissen, auf welche Musik .
Ich beschließe, es dabei bewenden zu lassen und nach Hause zu fahren, sobald er sein Eis vertilgt hat. Vielleicht muntert ihn ja die Fahrt mit dem Airport-Express ein wenig auf.
Als wir zu Hause sind, verkrümelt Sammy sich sofort in sein Zimmer und stellt lautstark Musik an. Vermutlich ist es besser, wenn ich ihn eine Weile in Ruhe lasse. Ich nutze die Zeit und putze die Wohnung, das ist auch bitter nötig. Während ich staubsauge und gleichzeitig die Waschmaschine laufen
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