Luegst du noch oder liebst du schon Roman
Schublade herrscht, in der ich Papiere dieser Art aufbewahre. Wenn Julius das sähe, wäre es schnell aus mit dem Nebenjob in seiner Kanzlei. Ich wühle mich durch Klarsichthüllen, Kuverts und allerlei anderen Papierkram, bis ich schließlich fündig werde. Leider ist der Vertrag verknickt, und an einer Seite ist sogar ein Teefleck.
»Danke«, sagt er, ohne eine Miene zu verziehen, und studiert die drei Seiten, die notdürftig zusammengetackert sind.
Ich halte den Atem an.
»Tja, Franca, ich fürchte, das ist alles korrekt. Du hast
einen Vertrag mit einmonatiger Kündigungsfrist unterschrieben.«
»Wieso hast du denn so einen miesen Vertrag unterzeichnet?«, fragt Mia entsetzt.
»Keine Ahnung, vermutlich weil ich ein bisschen doof bin«, antworte ich leise. Nach der Trennung von Ralf war ich offensichtlich nicht ganz bei mir.
Julius sieht ernst zwischen uns beiden hin und her. »Selbstvorwürfe nützen jetzt nichts«, erklärt er.
Plötzlich verstehe ich, was Mia an ihm findet - er hat eine ausgesprochen beruhigende Wirkung!
»Ich schlage vor, dass ich mich am Montag mit dieser Frau Arnold in Verbindung setze, und dann sehen wir weiter. Natürlich gilt zunächst einmal der Vertrag, aber sie muss in der Lage sein, dir nachzuweisen, dass du deine Aufgaben tatsächlich vernachlässigt hast.«
»Aber das habe ich doch gar nicht«, brause ich auf. »Ganz im Gegenteil! Ich habe der dummen Kuh sogar noch Vorschläge gemacht, wie man die Produkte verbessern könnte.«
»Hast du das schriftlich?«, fragt Julius, und ich schüttle stumm den Kopf. Und natürlich habe ich das Telefonat auch nicht mitgeschnitten. Ich bin ja schließlich keine Geheimagentin!
»Okay, ich denke, wir wechseln besser das Thema. Ich danke dir, Schatz, dass du Franca helfen willst«, sagt Mia und gibt Julius einen langen Kuss. Ich mag gar nicht hinschauen, so neidisch bin ich.
»Wollen wir ins L’incontro gehen?«, schlägt Mia dann vor. »Ein paar Nudeln einwerfen? Sammy hat doch bestimmt
Lust auf seine geliebte Pizza Napoli. Jetzt ist es noch so früh, dass wir problemlos einen Tisch bekommen.«
Gute Idee! Ich brauche dringend ein Glas Rotwein und Ablenkung. Ich klopfe an Sammys Zimmertür. Als er nicht antwortet, schleiche ich mich hinein. Vielleicht schläft er gerade.
Doch mein Sohn schläft nicht, sondern weint. Er liegt auf dem Bauch, den kleinen Kopf ins Kissen gedrückt. Sein schmaler Körper wird von heftigen Schluchzern durchzuckt, und es zerreißt mir schier das Herz, ihn so leiden zu sehen. Ich könnte Ralf umbringen!
»Häschen«, flüstere ich und setze mich vorsichtig auf die Bettkante. »Hast du Lust auf Pizza? Mia ist da und möchte mit uns ins L’incontro gehen.«
Sammy dreht sich um. Sein Gesichtchen ist vom Weinen ganz gerötet. In den langen Wimpern hängen Tränen.
»Nein … ich … mag … nicht«, stößt er hervor und rollt sich dann zur Wand. Ich schaue auf das Spiderman-Motiv auf der Rückseite seines T-Shirts. »Aber du musst doch etwas essen. Spiderman hat bestimmt auch Hunger«, insistiere ich und hoffe, dass mein Trick wirkt.
»Ich werde nie wieder etwas essen«, behauptet Sammy verstockt. Mittlerweile späht Mia neugierig durch den Türspalt. Ich lege meinen Finger auf die Lippen und schüttle den Kopf.
»Aber wieso denn nicht, du isst doch sonst so gern. Ist es wegen Papa? Er würde bestimmt nicht wollen, dass du seinetwegen auf die leckere Pizza Napoli verzichtest.«
»Nein, es ist nicht wegen Papa«, kommt es trotzig.
Nein? Weshalb denn sonst?
»Ja, dann verstehe ich dich nicht. Was macht dir denn so großen Kummer?«
»Es ist wegen … Lilo …« Sammy klingt kleinlaut.
Lilo?! Wer ist Lilo?
»Sie will nicht mit mir gehen.«
Ich sehe aus dem Augenwinkel, dass Mia an sich halten muss, um nicht lauthals loszulachen. Mir geht es leider genauso. Ich fasse es nicht - mein Sohn trauert gar nicht seinem Vater nach, sondern hat schlicht und einfach Liebeskummer!
»Aber wieso nicht?«, frage ich nach und bin sauer auf die kleine Göre, auch wenn ich sie gar nicht kenne. Mein Sohn ist ein toller Junge. Witzig, intelligent, hübsch, sportlich - was also stimmt nicht mit ihm?
»Weil ich versucht habe, sie zu knutschen.«
Mia gibt einen Kiekslaut von sich.
»Dabei hat sie sich schon von Luca knutschen lassen«, fährt Sammy fort, und alles, was ich denken kann ist: Das gibt’s doch nicht! Wieso fängt dieser Irrsinn schon so früh an? Bis vor Kurzem hat mein Sohn noch mit Quietsche-Entchen in
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