Luegst du noch oder liebst du schon Roman
später könnten wir noch ein Glas Wein bei dir trinken und das fortsetzen, wobei wir auf Mallorca gestört worden sind.«
O nein! Oliver kann wegen Sammy keinesfalls mit zu mir!
»Das klingt sehr verlockend, und ich würde wirklich gern mit dir an der Elbe picknicken. Aber der Ausklang
des Abends muss woanders stattfinden, denn meine Mutter bleibt noch eine Weile und …«
»Omi bleibt noch? Cooooooooool!«, kreischt Sammy.
Dummerweise habe ich es nicht mehr geschafft, ihm rechtzeitig die Hand auf den Mund zu legen …
26
Relax!
OLIVER KRAMER - SAMSTAG, 19. JUNI
Ich gieße mir eine Tasse Sencha ein und warte geduldig auf den Moment, in dem sich das Aroma des grünen Tees voll entfaltet. Zuvor habe ich das Wasser auf die empfohlene Temperatur von achtzig Grad abkühlen lassen. Klänge von Relaxation, sogenannter »Harmony & Wellness Musik«, untermalen meine Frühstückszeremonie. Heute ist Tag fünf meiner spirituellen Sinneserweiterung, und ich fühle mich großartig!
Mehr noch als die Erfahrung, mein Handeln und Denken den Lehren der Achtsamkeit unterzuordnen, beflügelt mich allerdings die Aussicht auf den vor mir liegenden Abend mit Franca. Nachdem ich gestern Abend vor dem Einschlafen voller Inbrunst (und äußerst achtsam!) gutes Wetter visualisiert habe, blinzelt heute wie gewünscht die Sonne durchs Fenster, und das Thermometer zeigt siebenundzwanzig Grad an. Ich hole Block und Stift aus der Küchentischschublade und will gerade die Einkaufsliste für das heutige Picknick zusammenstellen, als mir wieder einfällt, dass ich mich laut Thich Nath Hanh immer nur auf eine Tätigkeit konzentrieren
soll. Also trinke ich, irre konzentriert, meinen Tee und versuche, an nichts anderes zu denken.
Leider klappt das nicht ganz, denn zwischendurch schwirren mir immer wieder erotische Visionen von Franca im Badeanzug oder in sexy schwarzen Spitzenhöschen im Kopf herum.
Ich versuche, soweit wie möglich diese Bilder zu verscheuchen, denn ich will den guten Sencha ja nicht beleidigen. Bestimmt hat der Tee auch eine empfindsame Seele (seit Neuestem denke ich, dass alles eine Seele hat) und mag es gar nicht, wenn ich mir ausschweifenden Sex mit einer heißen Frau vorstelle, der ich nachher genüsslich …
Okay, Oliver. Beruhig dich! Bleib im Hier und Jetzt - und trink einfach deinen Tee! Ist das wirklich so schwer?
Beschämt stelle ich fest, dass ich noch viel trainieren muss, bevor ich eine höhere Bewusstseinsstufe erreiche. Vielleicht sollte ich es für heute einfach gut sein lassen, mir einen Coffee-to-go holen und dann im Schlemmermarkt einkaufen. Schließlich ist heute Samstag, da muss die spirituelle Arbeit auch mal ruhen.
Während ich in der Frischeabteilung nach exotischen Früchten für einen Obstsalat suche, bin ich in Gedanken wieder bei Franca und muss schmunzeln. Ein bisschen merkwürdig ist sie ja schon. Sie hat partout darauf bestanden, dass wir uns heute Abend an den Landungsbrücken treffen, um von dort aus mit der Fähre Richtung Blankenese zu fahren. Stattdessen hätte ich sie doch zu Hause abholen und sie gemütlich in meinem Cabrio chauffieren können.
Aber noch seltsamer finde ich ihre Mutter, die tatsächlich während meines Telefonats mit Franca nichts Dümmeres zu tun hatte, als eine alte Kinderkassette ihrer Tochter abzuspielen, auf der sich ein Junge lautstark darüber freut, dass seine Oma länger zu Besuch bleibt. Irgendwie niedlich, dass Franca diese Sachen aufbewahrt hat - aber das Verhalten ihrer Mutter finde ich schon mehr als merkwürdig. Nun ja, Schwamm drüber!
»Hallo, Oliver, na, das ist ja eine Überraschung.«
Ich drehe mich in die Richtung, aus der die Stimme kam, und blicke in die Augen von Amelie Künzelmann.
O nein, auf die habe ich jetzt überhaupt keinen Nerv! Ihr hingegen scheint es vollkommen anders zu gehen.
»Ach, gut, dass wir uns über den Weg laufen. Ich wollte dich sowieso längst anrufen und fragen, ob du überhaupt noch ein neues Buch für uns schreiben wirst. Patricia Hardeland und Simon Gruber sind sich da offenbar nicht hundertprozentig sicher.«
Das sollen sie auch nicht. Tut ihnen zur Abwechslung ganz gut, eine Weile zu schmoren!
»Im Grunde genommen weiß ich das momentan selbst noch nicht«, antworte ich so höflich wie möglich, während ich überlege, ob Lychees und Papayas eine aphrodisierende Wirkung haben. »Aber kannst du mir vielleicht sagen, wer dann an meiner Stelle das Buch über Partnersuche schreibt?«
Amelie grinst und
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