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Luftkurmord

Luftkurmord

Titel: Luftkurmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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der
äußere Eindruck der Leiche.
    »Müssen wir nicht
die Kripo informieren?«, unterbrach Judith meine Gedanken.
    »Doch. Das müssen
wir.« Ich stand auf. Wir mussten die Kripo informieren. Die Kripo, zu der ich
nicht mehr gehörte.

ZWEI
    »Lasst uns hier verschwinden.« Hans bückte sich, hob ihre
Schwimmtasche auf und schob sich den Reifen über die Schulter. »Wir gehen jetzt
ins Schwimmbad.« Das war keine Frage, das war ein Befehl, der keinen Zweifel
daran ließ, dass man ihn zu befolgen hatte.
    Sie
starrte immer noch auf die Stelle, stand reglos, unfähig sich zu bewegen. Das
schwarze Gummi des Reifens glänzte durch die Blätter des Gestrüpps. Von dem
Jungen war nichts zu sehen. Sie hatte kein Gefühl dafür, wie lange er schon
untergetaucht war, aber es erschien ihr zu lange, um die Luft anhalten zu
können.
    »Wir
müssen ihm doch helfen!«, flüsterte sie.
    »Ach
was. Der braucht keine Hilfe. Der sitzt bestimmt unter der Brücke dahinten und
lacht uns aus.« Hans wies ein Stück den Bach hinab und tippte sich dann mit dem
Finger an die Stirn. »Der hat sich mittreiben lassen. Hab ich auch schon ganz
oft gemacht. Na los. Kommt schon.«
    Sie
sah zu Franz, die stumm mit den Schultern zuckte und ihre Sachen nahm. Sie
spürte, wie sie wütend wurde. Auf Franz, die einfach dastand, nichts sagte und
nichts tat. Sich weder auf ihre noch auf Hans’ Seite stellte. Aber so war es
immer. Franz hielt sich raus. Zwar hatte sie oft das Gefühl, dass Franz Hans
damit ärgern wollte, aber was brachte das schon, wenn es ihr in den meisten
Fällen doch nicht einmal gelang. So bestimmend Hans immer sein wollte, so
nachgiebig war sie, sobald es um Franz ging.
    Sie
schluckte ihre Wut hinunter. Ihr gegenüber würde Hans nicht nachsichtig sein.
Das hatte sie schon oft genug erlebt. Wenn sie versuchte, etwas anderes zu
machen, war Hans eben nicht mehr ihre Freundin. So einfach war das. Für Hans.
Für sie nicht.
    »Meint
ihr nicht, wir sollten Hilfe holen?«, traute sie sich trotz ihrer Befürchtungen
zu fragen.
    »Damit
rauskommt, dass wir hier waren? Meinst du, ich habe Lust auf den Ärger, den ich
mir damit zu Hause einbrocke?« Hans zog eine Grimasse, drehte sich um und
stapfte los.
    Sie
zögerte einen Moment. »Hans, warte!« Sie fasste nach ihrer Tasche und hielt sie
zurück. »Wenn aber doch was passiert ist?«
    »Jetzt
hör auf, du Angsthase!« Hans zerrte an den Riemen der Tasche. »Erst bist du zu
feige, und dann lässt du dich auch noch verarschen.« Sie schüttelte den Kopf.
»So eine kann ich in meiner Bande echt nicht brauchen.«
    Sie
spürte, wie ihr die Tränen kamen.
    »Und
jetzt heulst du auch noch.«
    Sie
wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und senkte den Kopf. Die Wunde
an ihrem Oberschenkel blutete immer noch. Eine schmale Spur Blut teilte ihr
Bein in zwei Hälften, bevor sie im Schuh verschwand. Hoffentlich hörte es auf,
bevor sie wieder nach Hause musste. Sie schluckte. Hans hatte sich umgedreht
und war mit Franz im Schlepptau gegangen. Sie wollte nicht allein hierbleiben.
Es hatte so lange gedauert, bis die anderen sie in die Bande aufgenommen und
akzeptiert hatten. Sie wollte nicht rausgeschmissen werden.
    Sie
sah zum Wasser. Ihr Finger suchte den Mund. Knack. Dann folgte sie den anderen.
    ***
    Judith
blockierte die Zugänge zur Wiese mit rot-weißem Absperrband. Bisher hatte nur
ein einzelner Jogger auf seiner Runde durch den Kurpark vor dem Durchgang
stoppen und kehrtmachen müssen. Die Geschäftsstraße lag wie ausgestorben. Die sonntäglichen
Brötchenholer schliefen wohl noch alle.
    »Die Kollegen werden
in ein paar Minuten hier sein«, rief ich ihr zu, nachdem ich das Handy wieder
eingesteckt hatte.
    Ich ging neben der
Leiche in die Hocke und betrachtete sie. Ihr Gesicht gab nichts preis. Schlaff.
Keine Auskunft mehr über ihre Gefühle oder Gedanken. Ich nickte. Auch wenn ich
die Zusammenhänge kannte und wusste, dass sich im Tod alle Muskeln entspannten
und die Mimik verschwand – es passte zu Regina. Nichts von sich verraten.
Nichts nach außen lassen von dem, was dich bewegt. Alles in sich verschließen,
still und unauffällig sein. Glatt und ohne Angriffsfläche. So war sie früher
gewesen, und so war es in den letzten Wochen gewesen, in denen wir uns wieder
öfter getroffen hatten. Zur Freundschaft hatte unsere gegenseitige Sympathie
diesmal nicht gereicht. Jemand anders hätte ich sie am ehesten als »gute
Bekannte« vorgestellt. Eine, die da ist. Zum Stammtisch. Zum

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