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Luftkurmord

Luftkurmord

Titel: Luftkurmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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wäre
lieber ins richtige Schwimmbad gegangen. Dann würde es auch später keinen Ärger
geben, wenn Mama es rausbekommen würde. Und das würde sie, da war sie sich ganz
sicher.
    »Was
ist?«, rief Hans. »Bist du festgefroren?«
    Sie
schüttelte den Kopf und klammerte sich an den Stock, der noch neben dem Stein
im Schlamm steckte, während sie im Strom des Wassers hin- und herschwankte. Es
ging nicht. Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen, als sie langsam
vom Stein herabstieg und wieder mit den Füßen im Schlick versank.
    »Jetzt
hol endlich meinen Reifen da raus, wenn du schon so dusselig bist und ihn
reinwirfst.«
    »Du
kannst meinen haben.«
    »Ich
will deinen nicht. Der ist mir zu klein.«
    Sie
zögerte. Hans war die Anführerin ihrer Bande. Vielleicht ginge es ja, wenn sie
mit dem Stock nach dem Reifen hangeln würde. Außerdem wollte sie kein Angsthase
sein. Sie zog den Stock aus dem Boden, und ihre Füße suchten wieder den harten
Untergrund. Es ging. Sogar noch ein Stückchen weiter als beim ersten Versuch.
Sie lehnte sich nach vorne, streckte den Arm weit aus und stieß mit dem Stock
nach dem Reifen. Wenn sie ihn doch losbekommen könnte. Es fehlte nur noch ein
kleines bisschen. Beinahe berührte die Stockspitze das schwarze Gummi.
    »Mach
endlich!«
    Sie
sah die Bewegung im Wasser, bevor sie die Berührung spürte, und schrie auf.
Eine Welle von Ekel überrollte sie. Mit der Rechten umklammerte sie den Stock,
um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, mit der Linken zog sie an dem
schwarzen Ding, das sich an ihrem Oberschenkel festgesaugt hatte. Es ging nicht
weg. Panik stieg in ihr hoch. Sie vergaß ihre Vorsicht, wandte sich um und
stakste so schnell, wie es ihr möglich war, auf die Böschung zu. Sie schrie
immer noch, als sie schon fast das Ufer erreicht hatte.
    »Ach,
stell dich nicht so an. Es ist doch nur ein Blutegel.« Franz begutachtete den
schwarzen Wurm.
    »Was?«
Sie spürte, wie ihre Knie weich wurden. Das Ding wand sich und glitt ihr durch
die Finger. Sie packte es fester und riss daran.
    »Es
blutet, wenn du ihn abmachst.« Ein Junge stand mit einem Mal neben ihnen und
zeigte auf den Blutegel. »Er muss von allein abfallen.« Sie hatte nicht
gesehen, wo er hergekommen war. Er stieg von seinem Fahrrad, ließ es auf die
Wiese fallen und kam näher.
    »Aber
es ist so eklig und …«
    Hans
schob sich zwischen sie und den Jungen. »Was weißt du Knirps denn schon?«
    Der
Junge zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es halt.«
    Sie
kannte ihn vom Schulhof. Er ging erst in die dritte Klasse. Trotzdem fand sie
ihn nett.
    »Soll
ich dir den Reifen aus dem Wasser holen?«, fragte er und lächelte. Sie
schüttelte den Kopf.
    »Das
ist zu gefährlich«, murmelte sie und kratzte an dem Blutegel. Sie schüttelte
sich, packte das Tier an der Stelle, wo es sich festgesaugt hatte, und drehte.
Es tat weh. Sie biss die Zähne zusammen. Schließlich löste sich der Druck, und
der Blutegel wand sich in ihrer Handfläche. Angeekelt warf sie ihn weg. Blut
lief aus der Wunde ihr Bein hinunter.
    »Das
ist nicht gefährlich, du bist zu feige!« Franz’ Stimme bohrte sich in ihre
Seele. Sie wischte ihre Hand an der nassen Hose ab und schob die Spitze ihres
Mittelfingers in den Mund. Das regelmäßige Knacken bei jedem Biss auf den Nagel
beruhigte sie.
    »Ich
mach es«, sagte der Junge und nickte ihr zu. Dann kletterte er die Böschung
hinunter, ohne auf die Brennnesseln zu achten, die sicher an seinen Beinen
brannten.
    Knack.
Sie beobachtete ihn. Knack. Er machte das für sie. Mit dem Finger im Mundwinkel
lächelte sie. Knack.
    Er
ruderte mit beiden Armen, um sein Gleichgewicht nicht zu verlieren, und
schaffte es in der Hälfte der Zeit bis zu dem Stein in der Mitte des Baches.
Aber er war kleiner als sie. Das Wasser ging ihm bis zur Hüfte. Er stemmte sich
gegen die Strömung, drehte sich zu ihnen um und winkte. Dann sprang er und
schwamm mit kurzen, schnellen Zügen auf das Gestrüpp zu. Hans und Franz johlten
neben ihr und feuerten den Jungen an, bis er das Gestrüpp erreicht und nach dem
Reifen gegriffen hatte. Er schob seinen Arm hindurch und zerrte daran. Doch der
Reifen saß fest. Sie sah, wie er tauchte. Sein Kopf verschwand unter der
Wasseroberfläche.
    »Der
traut sich was!« Franz verschränkte ihre Arme und nickte anerkennend.
    Sie
starrte auf die Stelle, an der er verschwunden war. Der Reifen bewegte sich,
ruckelte hin und her, tauchte tiefer ein und schien sich zu lösen.
    Knack.
Es

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