Lukas und die gestohlene Weihnacht
einem Ruck von sich weg und stand auf.
„Kommt vor, ihr Bengel, was um Himmels Willen tut ihr hinter meinem Klavier? Na wartet! Wollt ihr etwa stehlen?“
Wieder waren Lukas und Rebekka entdeckt worden.
„Nein, nein, bitte!“, sagte Lukas. „Wir … wir …“ Doch mehr als ein Stammeln brachte er nicht raus. Der Mann packte Lukas am Kragen und zog ihn hinter dem Klavier hervor. Er war stark und Lukas streifte nur noch mit den Zehenspitzen seiner Schuhe über den Boden.
„Lassen sie ihn bitte los!“, rief Rebekka, „Wir sind wirklich keine Diebe! Im Gegenteil!“
„Wer seid ihr denn ? Und wie um alles in der Welt seid ihr in mein Arbeitszimmer geraten? Ich hätte euch doch sehen müssen, wenn ihr euch an mir vorbeigeschlichen hättet?“, meinte der stattliche Mann, der noch immer erbost und laut durch seinen Vollbart brummte.
„Wir … wir …“, stammelte Lukas noch immer.
„Kann dein Freund auch noch ein anderes Wort außer wir ? Sagt mir, wer ihr seid! Dann lass ich ihn vielleicht los!“
„Ich bin Rebekka. Und das ist mein Bruder Lukas. Wir kommen aus der Zukunft. Glauben wir zumindest . Welches Jahr haben wir hier?“
„Du willst mich wohl für dumm verkaufen, Mädchen!“ Der Mann zog Lukas an den Ohren.
„Au, au! Wir … wir ..“
„Wenn sie ihn los lassen, könnten wir Ihnen alles erklären.“
„Na gut. Ich höre.“ Er ließ von Lukas ab. Der rieb sich sein heißes Ohr.
„Nun denn?“
„Können wir uns einen Augenblick setzen?“, fragte Rebekka.
Am Tisch erzählten beide ihre Geschichte. Anschließend sah der Mann sie an. Seine Hände waren ineinander verschränkt und sein Kinn stützte sich darauf.
„Ich glaube E uch kein Wort. Ihr könnt Euch Eure Geschichte für die Gendarmerie aufheben. Im Gefängnis wird man sich schon um Euch kümmern.“
„Die Polizei?“, rief Rebekka. Der Mann stand auf und ging zur Tür.
„Warten sie!“ Lukas holte aus seiner Jackentasche das Blatt hervor, das er vorhin vom Tisch genommen hatte.
„So habt Ihr doch gestohlen und bindet mir hier einen Bären auf! Gib das her, du Bengel!“ Er entriss Lukas das Blatt.
„Das hat mir ein treuer Freund gegeben. Ein Gedicht, das ich vertonen soll. Ihr fangt dami t ja doch nichts an, es bringt Euch kein Geld ein!“
Da begann Lukas das Lied auswendig zu singen:
„Stille Nacht, heilige Nacht,
alles schläft, einsam wacht,“
Der Mann schaute Lukas ungläubig an. Er konnte nicht fassen, was er da hörte. Dann stimmte Rebekka mit ein:
„Nur das traute hochheilige Paar,
holder Knabe im lockigen Haar,
schlaf in himmlischer Ruh,
schlaf in himmlischer Ruh.“
„Wie ist das möglich?“ Der Mann starrte die beiden mit offenem Mund an.
„Glauben sie uns doch!“, sagte Lukas. „Wir kennen das Lied, dessen Text auf dem Blatt steht. Es ist das berühmteste Weihnachtslied der Welt, dort wo wir her sind. In der ganzen Welt kennt man es und singt es zu Weihnachten.“
„Aber wie könnt ihr die Melodie wissen? Ich habe sie ja noch gar nicht fertig komponiert.“
„Sie haben die Musik dazu geschrieben“, sagte Rebekka. „Ich erinnere mich, ich habe früher einmal alles darüber gelesen. Sie heißen Gruber, stimmt’s?“
„Was heißt denn früher? Ja, ja, mein Name ist Franz Xaver Gruber. Ich glaube Euch! Ja, mein Gott, ich glaube Euch. Was passiert hier nur? Ein Wunder … Elisabeeeth!“
Elisabeth entpuppte sich als seine Frau. Sie brachte den beiden etwas zu essen. So saßen sie zusammen am Tisch und unterhielten sich.
„Wir schreiben das Jahr 1818. Heute ist der 23. Dezember, morgen ist Heilig Abend. Mein guter Freund Joseph Mohr, ein Hilfspfarrer aus Oberndorf, hat mir diesen Text gegeben. Oberndorf, das ist drei Kilometer von hier. Wir sind in Arnsdorf, 20 Kilometer von Salzburg entfernt.“
„Ah, Österreich!“, sagte Lukas.
„Na ja, Joseph möchte, dass ich eine Melodie zu einem Gedicht komponiere, welches er schon vor zwei Jahren schrieb. Es ist eben dieses Stille Nacht, heilige Nacht . Mich hat der Text auf Anhieb berührt. Und ich war fast fertig damit, aber nur fast . Und nun höre ich aus Eurem Munde dies Lied! Unfassbar! Ich bin übrigens der Dorflehrer und Mesner hier im Ort.“
„Oh Gott, ein Lehrer!“, sagte Lukas.
„Lukas!“, zischte Rebekka.
„Was ist ein Mesner?“, fragte Lukas. Die Antwort lieferte Rebekka.
„Ein Mesner hilft dem Pfarrer, kümmert sich um alles in der Kirche. Während der Pfarrer die Predigten vorbereitet, organisiert der
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