Lukas und die gestohlene Weihnacht
Lukas und Rebekka sahen seine Silhouette mit dem Kranz in der Hand. Er schaute sich das schreckliche Spektakel des brennenden Hauses an.
Als alle Kinder hinausgebracht waren, war Wichern wieder im Haus, während es brennend in sich zusammenbrach. Wichern kam nicht mehr rechtzeitig nach draußen.
„Wir haben es nicht verhindern können, Lukas!“
„Die Kugel, sie leuchtet wieder! Nimm meine Hand, Rebekka!“
Sie sahen das Wehklagen der Kinder und Lehrer. Doch alles verblasste und schien sich aufzulösen. Erschrocken darüber, was eben passiert war, verließen sie den Ort und die Zeit auf ein Neues. Diese Vergangenheit gehörte wieder sich selbst und Rebekka und Lukas setzten ihre Reise durch die Zeit fort.
Kapitel 5
Sie saßen in der Mitte von Lukas’ Zimmer im Schneidersitz auf dem Boden, eingemummelt in kuschelige Decken. Zwischen ihnen brannte eine dicke Kerze, die Rebekka auf einem Unterteller aufgestellt hatte.
„Zum Andenken an Johann. Er hat sich geopfert, um die Kinder zu retten.“
„Ja. Kommt einem irgendwie bekannt vor, dass sich ein Mensch für andere opfert.“
„Hm, hm.“ Rebekka nickte bestätigend. „Jesus hat sich auch geopfert. Für diesen Johann Wichern war Weihnachten nicht einfach ein Fest, an dem es Geschenke gibt. Er hat den Adventskranz nur zur Freude der Kinder gemacht. Er hat für sie gelebt. Ist das nicht schrecklich, dass er dafür sein Leben lassen musste?“
„Nur wegen diesem Arsch mit dem Narbengesicht. Ich hasse ihn! Er stiehlt nicht nur, er ist auch ein Mörder! Ohne ihn hätte Johann Wichern weiter gelebt und er hätte den Adventskranz erfunden“, sagte Lukas. „Das heißt, erfunden hat er ihn ja auch jetzt noch. Nur weiß das niemand, weil der dunkle Mann den Kranz gestohlen hat, bevor die Kinder ihn zu Gesicht bekamen.“
„Und wieder konnte sich ein Weihnachtsbrauchtum gar nicht erst zur Tradition entwickeln. Eine Adventszeit ohne Advents kalender und ohne Advents kranz ! Kannst du dir das vorstellen, Lukas?“
Sie unterhielten sich noch lange über die vergangenen Tage. Beide konnten es noch immer nicht begreifen, was sie da erlebt hatten. Angefangen mit der Zeitreise zum ersten Adventskalender über den dicken Verkäufer auf dem Weihnachtsmarkt, die Zeitreise ins Hamburg des Jahres 1839 und die Begegnung mit Johann Wichern und mit den Kindern im Rauhen Haus .
„Er hat uns das Leben gerettet. Im Internet steht, er rettete allen Kindern das Leben. Das Rauhe Haus ist heute noch ein Zuhause für viele Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind“, sagte Rebekka.
„Ist das alles meine Schuld, Bekki? Ist das alles so geschehen, weil ich dem Mann im dunklen Mantel hinterhergerannt bin und so den Stein erst ins Rollen brachte?“ Lukas’ Stimme klang ganz dünn.
„Quatsch mit Soße! Du kannst nichts dafür, es ist allein die Schuld dieses Mörders und Diebes, des dunklen Mannes.“
„Aber was bringt das alles? Es macht überhaupt keinen Sinn, dass wir durch die Zeit reisen! Wir können ja doch nichts ändern, Rebekka!“, entgegnete Lukas verzweifelt.
„Ich glaube schon, dass es Sinn macht, Bruderherz.“
„Ach ja?“
„Ja. Du und ich. Wir verleihen der Sache Sinn.“
„Was meinst du damit?“
„Na, Lukas, schau: Wir haben den bösen Mann mit dem Narbengesicht beim Diebstahl des Adventskalenders beobachtet. Und wir sahen ihn letzte Nacht, wie er den ersten Adventskranz stahl. Wir sind die einzigen Menschen, die wissen, dass es einmal diese Weihnachtsbräuche gegeben hat. Und wir sind die einzigen Menschen, die der Welt diese Bräuche zurückgeben können.“
„Fragt sich nur wie!“ Sie löschten die Kerze. Eng beieinander und eingekuschelt in ihre Decken schliefen sie müde auf dem Teppichboden in Lukas’ Zimmer ein.
Am nächsten Tag in der Schule bemerkten Lukas und Rebekka, dass der große Adventskranz im Lichthof der Aula fehlte. Es hatte jedes Jahr einen großen Kranz in der Aula gegeben. Die Fenster waren noch immer mit weihnachtlichen Motiven dekoriert. Aber auch sämtliche Adventskalender in den Klassen waren verschwunden.
„Lukas“, sagte Herr Immanuel, der Deutschlehrer, „du bist an der Reihe. Komm nach vorn und sag das Gedicht auf!“ Welches Gedicht? Mann, wenn der wüsste, was die letzten Tage passiert ist , dachte Lukas. Ich habe wirklich Besseres zu tun, als … oh, ich glaube Knecht Ruprecht sollten wir lernen . Lukas ging nach vorn und stellte sich vor die Klasse.
„Von drauß’ vom Walde komm ich her …“,
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