Lukas und die gestohlene Weihnacht
Jahr? Das Mittelalter dauerte ganze 1000 Jahre lang, alles in allem. Das wusste er aus der Schule. Von 500 nach Christus bis 1500 nach Christus. Sicher war es vor dem 1419, denn da war er zuletzt gewesen und die bisherigen Ereignisse hatten ihm gezeigt, dass er immer weiter in der Zeit zurückreiste. Lukas fragte die Stadtwache am Eingang des Tores nach dem Namen der Stadt: Naumburg an der Saale, im Herzen des Reiches . Auch die Straßen und Gebäude waren noch simpler gebaut als zuletzt. Es gab einige wenige Fachwerkhäuser und viele dürftige Häuser aus Holz.
„Hey, Bursche, hilf mir mal“, rief da ein Mann. Er trug ein weißes Leinenhemd, weiße Hosenbeine und einen blauen Kittel ohne Ärmel darüber, der ähnlich einer Toga war. Vorne trug eine weiße Schürze. Auf dem blauen Gewand hing überall weißes Mehl.
„Ihr seid ein Bäcker? Oje, schon wieder!“, sagte Lukas.
„Schlaues Bürschchen, nun komm, hilf mir mal mit dem Mehlsack. Kriegst auch einen Bissen vom Weihnachtsbrot.“
Das Brot in der Schneekugel! Lukas wusste, dass er hier richtig war. Er half dem Bäcker einige Säcke Mehl in die Bäckerei zu tragen.
„Mein Geselle ist unterwegs. Er musste zum Bischof, eine Bestellung abholen. Du siehst kräftig aus, ich könnte einen neuen Lehrling wie dich gut gebrauchen. Suchst du Arbeit? Mein Geselle ist mit seiner Ausbildung bei mir fertig und geht nun bald auf Wanderschaft.“
„Ich helfe euch. Aber eine Lehre will ich nicht machen. Bin sozusagen eher auf der Durchreise. Aber danke für das freundliche Angebot.“
Lukas war ein bisschen stolz darauf, dass der Bäcker ihn so lobte. Und es machte ihm Freude, sich für so eine Bemerkung zu bedanken. Beim Gedanken daran lächelte Lukas.
„Wenn du weiter so grinst, wird die Arbeit auch nicht weniger, Bursche. Wie heißt du überhaupt? Ich bin Donatus.“
Lukas musste unwillkürlich lachen: Ein Bäcker, der wie ein Donut hieß!
„Was lachst du denn? Gefällt dir mein Namen etwa nicht?“
„Doch, entschuldigt bitte vielmals, Donatus. Donatus, der Bäcker! Das kann ich mir gut merken. Ich heiße Lukas.“
„Lukas, der Lachende! Der lachende Lukas! Und das merke ich mir gut. Willkommen Lukas, willkommen in Naumburg!“
Lukas hatte Donatus von Beginn an ins Herz geschlossen. Die Tage vergingen und Lukas lernte im Naumburg des Jahres 1329 das Bäckerhandwerk kennen. Und er lernte den Gesellen Giselbrecht kennen. Der war groß, fast zwei Meter, schätzte Lukas. Und Giselbrecht war nicht nur groß, sondern auch muskulös und äußerst intelligent.
„Lukas, bring mir mehr über die Mathematik bei“, sagte Giselbrecht eines Abends, als Lukas mit ihm wieder einmal über die Schule sprach. „Ein Junge, der in die Schule geht, muss doch adelig sein. Normale Kinder gehen nicht zur Schule. Woher nur bist du?“
„Das erkläre ich dir ein ander Mal, Gisi“, sagte Lukas. „Adelig bin ich jedenfalls nicht. Aber du begreifst ganz schön schnell. Ich habe dafür ein ganzes Schuljahr gebraucht, was du an wenigen Abenden gelernt hast. Und dass mich mal jemand in Algebra um Hilfe bittet, dass sollte mal mein Mathelehrer wissen!“
Lukas hatte bei alldem nicht vergessen, weswegen er hier war. Doch bisher schien ihm nicht klar zu sein, um welchen Brauch es sich hier handelte. Bei den letzten Bäckern gab es den Weihnachtsbaum. Den konnte man nicht übersehen. Doch hier war nichts, was irgendwie an Weihnachten erinnern würde. Die Schneekugel hatte ihm ein Brot gezeigt, doch daraus wusste sich Lukas keinen Reim zu machen. Ein Brot als Weihnachtsbrauch? Davon hatte er noch nie gehört, das konnte nicht sein. Nach einer Woche, in der nichts auf ein Brauchtum hinzuweisen schien, fasste sich Lukas ein Herz und sprach Donatus und Giselbrecht darauf an.
„Donatus, feiert ihr das Weihnachtsfest?“
„Aber natürlich! Wir sind doch Christen!“
„Und wie … ich meine, wie läuft das genau ab?“ Lukas traute sich nicht zu fragen, ob sie einen Weihnachtsbaum oder einen Adventskranz aufstellten. Diese Dinge waren zu dieser Zeit ja noch nicht erfunden.
„Du hast wohl noch kein Weihnachten begangen, was Lukas? Ich will es dir erzählen. Zuerst gehen wir in die Christmesse. Dort gibt der Bischof jedes Jahr Brot für die Armen aus. Manchmal auch Wein. Und dann sitzen wir Bäckersleut hier in der Backstube beisammen. Mit Weizenstollen und Wein gedenken wir Jesu’ Geburt. Na ja, außer dem Gedenken lachen und singen und reden wir gar viel! Hahaha,
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