Lukianenko Sergej
Aristokrat nicht
geschämt hätte. Trix, Ian und Hallenberry saßen im Wagen, vor den die alte graue Stute gespannt war, und wurden ordentlich durchgeschüttelt. »Er ist nicht nur Bezeichnung, sondern auch ein Symbol, er öffnet den Weg
zum gesuchten Objekt. Hast du das verstanden?«
Trix nickte unsicher.
»Nehmen wir einmal an, ich wollte dich in eine Kröte
verwandeln«, fuhr Sauerampfer fort. Da Trix dieses Beispiel nicht sonderlich gefiel, verzog er das Gesicht. Dafür
merkte Hallenberry sofort auf. »Würde ich deinen Namen nicht kennen, müsste ich dich erst umständlich beschreiben: ein großer und magerer Junge mit schwarzem
Haar, aufstehendem Mund, naiven Augen und so weiter
und so fort. Da ich aber deinen Namen kenne, kann ich
einfach sagen: ›Der Junge namens Trix, der neben mir
steht, wurde plötzlich grün und verwandelte sich in eine
Kröte!‹«
Trix blickte erschrocken auf seine Hände und betastete
sein Gesicht. »Es hat nicht geklappt«, stellte er fest.
»Natürlich nicht!«, rief Sauerampfer. »Der Zauberspruch ist so einfach, der ist seit Langem abgenutzt.
Schon beim dritten Mal wurde das Objekt des Zauberspruchs nur noch grün, beim vierten Mal hat es bloß gequakt, beim fünften Mal ist gar nichts mehr passiert. Es
ist sehr gut, dass Zaubersprüche sich durch den Gebrauch
abnutzen, sonst könnte ja jeder Mensch einen Zauber
wirken!«
»Wäre das denn so schlecht?«, fragte Ian.
»Selbstverständlich!«, antwortete Sauerampfer. »Man
darf die Magie nur klugen und besonnenen Menschen
anvertrauen. Wo kämen wir denn sonst hin? Eine Frau
streitet sich mit ihrem Mann und batz! – verwandelt sie
ihn in einen stinkenden Ziegenbock. Oder der Mann
verwandelt sie in eine dumme Henne. Ein Nachbar
schreit den anderen an und der wird zu einem Haufen
Dünger. Das ganze Menschengeschlecht würde sich gegenseitig ausrotten! Gut. Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, der Name ist für einen Magier eine große
Hilfe. Stell dir vor, es ist Krieg, und der Feind will unsere
Hauptstadt zerstören, indem er Massenvernichtungsmagie
einsetzt. Er zieht die besten Zauberer zusammen und die
denken sich einen schrecklichen Zauber aus. Aber wie
sollen sie ihn formulieren? Wenn man nicht sagen kann:
›Ein Feuerregen geht vom trüben Himmel auf die Stadt
sowieso nieder‹?«
»Man könnte doch auch sagen: ›Ein Feuerregen geht
vom trüben Himmel auf die Hauptstadt nieder‹«, schlug
Trix vor.
»Auf welche? Auf deine eigene? Magie ist wie Wasser.
Sie sucht immer den direkten Weg. Wenn es heißt ›auf die
Hauptstadt‹, dann schlägt sie auf deine Hauptstadt ein.«
»Man könnte sagen: ›Ein Feuerregen geht vom trüben
Himmel auf die Hauptstadt des verfluchten Königreichs
nieder, in dem der fürchterliche Tyrann Marcel der Lustige herrscht, und versengt die prachtvollen Paläste ebenso wie die erbärmlichen Hütten, zerstört die Steinwände
…‹«
»He! Hör sofort auf!« Sauerampfer sah Trix streng an.
»Sei etwas vorsichtiger, Trix! Du bist immerhin ein Zauberer. Das hätte gerade noch gefehlt, dass wir unsere eigene Hauptstadt abbrennen!«
»Also hätte es funktioniert?«, fragte Trix. »Es ginge
auch ohne Namen?«
»Im Prinzip schon«, gab Sauerampfer widerwillig zu.
»Aber es ist schwieriger und dauert länger. Und je wortreicher der Zauberspruch, desto schlechter wirkt er auf
andere und desto schlechter klappt er. Ein guter Zauber
muss knapp sein! Klar! Überraschend! Er muss verblüffen und begeistern!«
»Aber ich habe die Hauptstadt doch jetzt nicht niedergebrannt?«, fragte Trix.
»Nein, natürlich nicht. Was meinst du denn, wozu wir
Zauberer eigentlich da sind? Über jeder großen Stadt des
Königreichs ist ein ABS errichtet, Anti-BreitbandzauberSchutzwall. Zum Beispiel von der Art: ›Sobald der von
einem Zauberer geschickte Feuerregen vom Himmel niedergeht, bildet sich über der Stadt dichter magischer Nebel, der die Flammen mühelos löscht, sodass das Feuer
die Erde nicht erreichte Klar?«
»Ist ja nicht so schwer«, murmelte Trix. »Aber woran
man da alles denken muss! Feuer, Wasser, Steine, Monster …«
»Eben«, sagte Sauerampfer. »Deshalb wirken Zauberer Tag und Nacht neue ABS, um neuen Gefahren neue
Schutzmaßnahmen entgegenzusetzen. Es ist ein ewiger
Wettstreit von Schwert und Schild, Überfall und Verteidigung.«
»Trotzdem kann man nicht alle Gefahren voraussehen«,
hielt Trix dagegen. »Also? Warum haben uns unsere
Feinde noch nicht vernichtet?«
»Weil
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