Lukianenko Sergej
der Magier Junggeselle ist, stören ihn statt der
Frau und des Kindes ein dummer Lehrling oder ein
Abenteurer, der ihm ein Artefakt stehlen will, das er nie
besessen hat. Falls der Magier unterwegs ist, stören ihn
Ameisen, die unter seiner Umhang kriechen, dumme
Fragen des Ritters in seiner Begleitung oder dämliche
Possen eines mitreisenden Diebs.
Kurz und gut, erst tief in der Nacht kommt der Magier
dazu, seine Zauber zu wirken. Sie sind dann nicht mehr
ganz so schön wie die, die der Morgen verheißen hatte –
aber immerhin.
So passen sich Magier hervorragend an jeden Tagesablauf an. Es ist ihnen nämlich völlig einerlei, ob sie
morgens, mittags, abends oder nachts nicht arbeiten.
»Guten Morgen, Herr Sauerampfer«, sagte Trix höflich.
»Soll ich Ian in der Küche helfen?«
»Ein Soufflöticus braucht sich nicht ums Essen zu
kümmern«, antwortete Sauerampfer. »Soll Ian das machen.
Wenn wir ihn schon am Hals haben, kann er auch für
seinen Unterhalt arbeiten.«
Innerlich freute Trix sich über diese Worte: Hatte sich
Sauerampfer also doch dazu durchgerungen, Ian zu behalten. Er ließ sich jedoch nichts anmerken, sondern
nickte nur. »Welche Pläne haben wir heute, Herr Sauerampfer?«
»Sehr schlichte. Wir frühstücken und du packst.«
Trix sah Sauerampfer entgeistert an.
»Wir fahren in die Hauptstadt, du dummer Junge! Zu
König Marcel!«
»Warum?«, fragte Trix. Die Hauptstadt – das bedeutete eine lange Reise. Und der König – dass es um etwas
Ernstes ging! Sie würden durch drei Fürstentümer, freie
Baronate und königliche Gebiete kommen, denn unter
der Herrschaft des alten Geschlechts der Marcelen blühte und gedieh das Land. Im Vergleich zu den Besitztümern des Königs war selbst Dillon klein und bescheiden, vom Co-Herzogtum Solier und Gris ganz zu
schweigen.
»Wir werden uns damit befassen, womit sich ein Zauberer befassen sollte«, entgegnete Sauerampfer streng.
»Wir werden Fragen stellen. Und Antworten suchen.
Frühstücke gut, junger Soufflöticus, denn wir werden
nicht so bald zu Mittag essen.«
Seufzend setzte sich Trix an den Tisch.
3. Kapitel
G
laubt man all den Liedern, die über Wege und Straßen geschrieben wurden, gibt es nichts Langweiligeres als eine Reise.
Hart und trist ist das Los eines Winterreisenden. Kalte
Winde wehen, aus einem bleigrauen Himmel fällt Schnee
auf die gefrorene Erde. Ein Schritt vor die Tür – und
schon tobt ein Schneesturm oder ein Unwetter los. Die
Pferde verlieren ihre Hufeisen und kauen freudlos das
kalte Heu, der zitternde Reisende versucht vergeblich,
sich mit einem starken Schnaps oder an einem kümmerlichen Lagerfeuer aufzuwärmen. Das Brot ist steinhart gefroren, mit der Wurst kann man einen hungrigen Bären
erschlagen – nur dass keine Bären unterwegs sind, schlafen sie doch längst in ihren Höhlen. Zu allem Überfluss
verirrst du dich auch noch bei der geringsten Unaufmerksamkeit, und dann ist es aus, dann endest du als Eismumie zwischen den Schneewehen!
Doch auch im Frühjahr ist das Reisen kein Vergnügen.
Wenn sich die Erde, vom Eise befreit, in glitschigen Brei
verwandelt, Unmengen kleiner stechender Insekten auftauchen, nachts liebestolle Wölfe heulen und der ganze
Mist, der sich über den Winter unterm Schnee gesammelt
hatte, wieder offen zutage liegt. Einmal ungekochtes
Wasser getrunken – und deine Reise geht von Gebüsch
zu Gebüsch! Die Sonne scheint hell am Himmel, der
Himmel ist blau, doch all das ist Lug und Trug, denn sobald du den durchgeschwitzten dicken Umhang ablegst,
darfst du deine treueste Begleiterin im Frühling willkommen heißen: die Erkältung.
Im Sommer ist es auch nicht viel besser. Fürchterliche
Hitze schlägt auf dich ein, aber sobald du dich ausziehst,
fallen Bremsen und Fliegen über dich her, die die kleinen
Mücken abgelöst haben. Bei jedem Schritt wirbelt Staub
auf, du niest und schniefst, das Gras ist vertrocknet, in
den Bergen schmilzt das Eis, die Flüsse treten über die
Ufer. Räuber kommen gewöhnlich im Sommer auf die
Idee, einem Reisenden aufzulauern und ihm einen Pfeil
in den Rücken zu jagen. Außerdem verbreiten Zieselmäuse die Pest, Mücken Malaria und Vögel die Grippe.
Doch erst der Herbst! Der Himmel grollt und ertränkt
die Welt in Regen, bis sie ein einziger Sumpf ist. Beim
Anblick der bleigrauen Decke über dir, der nackten entlaubten Bäume um dich herum und des stinkenden Moders unter dir möchtest du dich am liebsten aufhängen.
Ein
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