Lukianenko Sergej
nur die ehemaligen Räume der Soliers.«
»Gleich«, erwiderte die Fee und wandte sich noch
einmal dem Minotaurus zu, dem sie mit ihrer kleinen
Faust drohte. »Hör mir gut zu! Du hast niemanden gesehen und niemanden gehört, kapiert, du Hornvieh?«
Der Minotaurus nickte.
»Andernfalls endest du als Kotelett«, zischte die Fee.
Der Minotaurus brachte mit jeder Faser seines Körpers
zum Ausdruck, dass er dieses Schicksal nicht erleiden
wollte. Annette flog zu Trix zurück. »Komm«, sagte sie
zufrieden. »Von dem haben wir nichts zu befürchten, der
kann nur Kühe erschrecken!«
Trix nickte und sie gingen in die Hälfte der Gris. Hier
war es feucht und staubig, wie in jedem Raum, der lange
leer gestanden hatte. Immerhin hatte man die Truhen,
Reisetaschen und Schachteln schon hereingebracht. Trix
fand rasch das Schlafzimmer von Sator und versuchte,
das Türschloss mit einem Zauber zu knacken. Doch leider klappte weder der erste noch der zweite oder dritte
Zauber.
»Lass mich mal ran«, sagte Annette und flog zu dem
kleinen Schloss. Sie schlüpfte bis zur Taille ins Loch,
sodass nur noch ihre winzigen Beinchen herausguckten
(Trix drehte sich diskret weg) und fuhrwerkte herum.
Etwas knirschte, knarzte und einmal fluchte die Fee halblaut. »Jetzt hätte ich mir doch beinahe die Finger eingeklemmt!«
Schließlich gab das Schloss nach und die Tür öffnete
sich.
»Was würdest du nur ohne mich machen, mein Liebster?«, sagte Annette stolz, nachdem sie wieder aus dem
Schlüsselloch herausgekrochen war.
Das Bett war nicht gemacht, im offenen Kleiderschrank hingen die Sachen bunt durcheinander. Anscheinend waren sämtliche Diener für den Empfang gebraucht worden und hatten sich nicht um die Zimmer
ihrer Herrschaften kümmern können. Trix durchsuchte
geschwind den Raum, schaute auch unters Bett und in
den Schrank und klopfte an verschiedenen Stellen sogar
die Wand ab.
Keine Spur einer Truhe mit Geld oder eines Geheimverstecks!
»Kannst du dir einen Zauber für die Goldsuche ausdenken?«, fragte Annette.
Trix brach in schallendes Gelächter aus. Alle Zauber
zur Suche von Gold, Silber und Edelsteinen waren längst
ausgedacht und seit vielen Jahren abgenutzt. Genau wie
die Zauber, mit denen man unsichtbar wurde oder fremde
Schlösser knackte. (Wer will, kann daraus einige traurige
Schlüsse über die menschliche Natur ziehen.)
»Sehen wir uns mal im Schlafzimmer der CoHerzogin um«, schlug Trix vor.
Plötzlich hörte er, wie eine Tür klapperte. Jemand kam
in die Hälfte der Gris.
Hatte der Minotaurus seine Feigheit nur vorgetäuscht
und doch Alarm geschlagen? Oder Sid Kang Verdacht
geschöpft?
Trix presste das Ohr gegen die Tür und lauschte.
»Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du die Dienerinnen nicht in den Hintern kneifen sollst, wenn wir Besuch
haben!«, erklang es. »Das gehört sich nicht!«
Sator Gris!
»Aber du kneifst sie doch selbst ständig, Papa!«, antwortete eine widerliche, sich überschlagende Stimme.
Derrick Gris! Sein Cousin! Trix ballte die Fäuste.
»Ich, mein Sohn, mache das charmant und galant«, belehrte ihn Sator. »Während du es plump und tumb
machst. So kann sich vielleicht ein kleiner Baron benehmen, aber nicht ein zukünftiger … hm.«
»Herzog«, soufflierte Derrick.
»Genau. Ein Herzog. Wie gefallen dir übrigens die
hauptstädtischen Lackaffen?«
Derrick lachte.
»Ganz deiner Meinung«, gab Sator zu. »Könntet Ihr
mir nicht hundert Goldstücke auf unbestimmte Zeit leihen …? Schämen sollten sie sich! Das Königreich ertrinkt noch in Korruption! Aber gut, dann wollen wir
dem verehrten Bettmeister mal ein paar Königstaler vorschießen …«
Derrick kicherte dämlich.
Trix hörte, wie die Tür nebenan klapperte. Kurz darauf
klimperte hinter der dünnen Wand etwas. Er und Annette
sahen sich an. Damit war alles klar. Sator Gris bewahrte
das Geld im Zimmer seines Sohnes auf.
Nach ein paar Minuten verließen die beiden das Zimmer wieder. Trix wartete, bis die Schritte verhallt waren,
dann ging er zum Schrank.
»Was hast du vor?«, fragte Annette. »Da ist das Geld
nicht!«
»Und der Ring mit der Taube?«, entgegnete Trix.
»Und die Puppe des Königs?«
Den Ring steckte er nach kurzer Überlegung in eine
geheime Innentasche des Reisewamses von Sator Gris.
Der Co-Herzog dürfte es wohl kaum anziehen, wenn er
sich zum Empfang beim König begab, die Geheimpolizei
würde den Ring problemlos finden.
Die Puppe versteckte Trix mit einem gemeinen Grinsen im Abtrittserker
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