Lukianenko Sergej
ist dein Preis?«
»Du schließt ein unvorteilhaftes Geschäft ab«, warnte
ihn der ehemalige Hauptmann. »Aber gut, das ist dein
Problem. Ich kann um alles bitten?«
»Ja«, sagte Trix. »In vernünftigem Maß, versteht
sich.«
»Mir fehlt die Sonne«, sagte Sid. »Ich würde gern einen kurzen Spaziergang pro Tag machen. Unter Aufsicht,
versteht sich. Von mir aus sogar im Innenhof des Palasts.«
»In Ordnung«, erwiderte Trix.
»Und ich würde gern meine Frau und meine Kinder
sehen. Wenigstens manchmal. Einmal im Monat.«
»Einmal in zwei Monaten«, entschied Trix, der sich
lieber nicht allzu großzügig zeigen wollte.
»Das ist alles, worum ich bitte.«
»Du musst um drei Dinge bitten«, erklärte Trix, der
sich an Marcels Worte erinnerte. »Also weiter.«
»Wenn es denn sein muss!« Sid seufzte – und eine
Dampfwolke stieg auf. »Hier ist es kalt und feucht, junger Solier. Selbst im Sommer. Ich weiß, dass hinter jeder
Zelle ein Ofen steht. Den soll man jeden Tag heizen,
sonst gehe ich hier früher oder später ein.«
»Gut«, erwiderte Trix. »Deine Bitten sagen mir, dass
du deine Flucht planst, dass deine Frau jemandem eine
Nachricht zukommen lassen soll, dass du dir aber auch
nicht sicher bist, dass es mit der Flucht bald klappt.
Trotzdem werde ich deine drei Bitten erfüllen. Ich werde
ihnen sogar noch eine hinzufügen: Ich werde darum bitten, deine Wache zu verdoppeln.«
Sid Kang grinste breit. »Wenn dein Vater genauso
gewitzt wäre wie du, mein Junge, dann hätte ich bei diesem Putsch nie mitgemacht. Wir sind uns also einig.
Frag!«
»Warum hat Gris sich an die Vitamanten verkauft?«
Sid brach in lautes Gelächter aus. »Das ist eine einfache Frage und die Antwort kennst du. Weil sie ihm viel
Gold versprochen haben, einen Posten als Vogt und ewiges Leben. Die Geschichte ist genauso alt wie die Welt.«
»Warum hat der Putsch so leicht geklappt? Warum
sind unsere Untertanen Gris gefolgt?«
»Weil dein Vater ein guter Mensch, aber ein schlechter Herrscher ist.« Sid Kang wurde ernst. »Seit etlichen
Jahren entscheidet Gris alle wichtigen Fragen. Deinem
Vater genügt es voll und ganz, als nomineller Herrscher
auf dem Halben Thron zu sitzen. Aber die Macht, mein
Junge, ist wie Feuer. Man muss es so schüren, dass es
einen nicht verbrennt, dass die Wärme auch für andere
reicht und dass es nicht erlischt. Dein Vater hatte Angst,
sich und andere zu verbrennen … und er hat das Feuer
ausgehen lassen.«
»Das werde ich mir merken«, sagte Trix. »Aber Sator
Gris hatte keine Angst, sich oder andere zu verbrennen.
Warum hat er also das Leben meiner Eltern geschont?«
»Endlich kommst du zur Sache!«, stieß Sid aus.
Trix nickte.
»Ich habe dich ja gewarnt, du machst ein unvorteilhaftes Geschäft«, sagte Sid. »Die Antwort auf diese Frage
kenne ich nicht. Als Sator mit mir den Plan für den Umsturz durchgesprochen hat, hieß es, wir würden deine
Eltern umbringen. Du solltest gefangen genommen werden. Dein Vater sollte im Thronsaal ermordet, deine Mutter in ihrem Schlafgemach eingesperrt werden, um ihr die
Möglichkeit zum Hohen Tod zu geben. Wenn sie sich
dazu nicht hätte durchringen können … hätte man ein
bisschen nachgeholfen. Wir haben das alles hundert Mal
durchgekaut …«
Er verstummte.
»Aber dann?«, fragte Trix.
»Aber dann kam alles anders. Wir haben sowohl den
Co-Herzog wie auch die Co-Herzogin lebend gefangen
genommen. Vielleicht hatte Gris Angst, ihre Ermordung
zu befehlen, denn dann wäre es kein Sturz der Machthaber mehr gewesen, sondern eine Hinrichtung. Vielleicht
hatte er sich aber auch im letzten Moment etwas besonders Gemeines für sie ausgedacht …« Sid breitete die
Arme aus. »Ich glaube immer noch, dass es ein Fehler
war, obwohl dieser Fehler uns allen das Leben gerettet
hat.«
Trix nickte und ging nachdenklich zur Treppe. Sid
Kang sah ihm wortlos nach.
Der nächste Ort, den Trix aufsuchte, war der Wintergarten, ein großer Raum mit einem Glasdach, in dem sogar im Winter Blumen blühten und Bäume (in Fässern)
grüne Blätter trugen. Dort fand er seine Mutter im Kreis
ihrer Hofdamen. Die älteste von ihnen las mit ausdrucksvoller Stimme etwas vor: »… am späten Abend. Da rief
die erste Lady: ›Oh, wenn ich doch Königin wäre! Dann
würde ich ein großes Fest veranstalten mit einem üppigen
Festmahl für alle, sowohl für die hochwohlgeborenen
Menschen wie auch für die schändliche Dienerschaft.‹
Daraufhin sagte die zweite Lady: ›Und
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