Lukianenko Sergej
vollführte eine Bewegung, als drehe er
ein Schiffsruder. Sein Stock beschrieb einen Kreis – und
richtete die Spitze entschlossen gegen Trix.
Daraufhin schienen sich Trix’ Hände zu verselbstständigen. Sein Stock wehrte den feindlichen ab, schlug die
nach zahllosen Einsätzen blank gewordene und jetzt auf
Trix’ Gesicht zielende Spitze ab und teilte kurze, wütende
Schläge nach rechts und links, nach oben und unten aus.
In Strubbelkopfs Augen schlich sich Angst. Er wich
zurück, wehrte nur noch Trix’ Angriffe ab und verzichtete
auf eigene. Aber jetzt hatte Trix Feuer gefangen. Der
Stock in seinen Händen kannte kein Erbarmen mehr, sogar die abgewehrten Schläge ließen den Feind vor
Schmerz aufschreien. Mit einem Schlag gegen das Knie,
einem in den Bauch und einem dritten gegen den Hals
durchbrach Trix seine Verteidigung. Er hätte seinem
Gegner mühelos auch noch das Genick gebrochen oder
den Kiefer zertrümmert, wäre er nicht im letzten Moment
über sich selbst erschrocken und hätte innegehalten.
»Ich ergebe mich!«, jaulte der Strubbelkopf, der mit dem
Hinterm im Dreck gelandet war und seinen Stock weggeworfen hatte. »Ich ergebe mich! Hörst du? Man darf jemanden, der sich ergeben hat, nicht weiter verdreschen!«
Und Trix gab sich zufrieden. Als echter Ritter war er
verpflichtet, selbst einem Feind niederer Geburt gegenüber Gnade zu zeigen.
»Komm mir nie wieder unter die Augen!«, drohte
Trix. »Verstanden? Und wenn ihr euch an«, er zeigte auf
den Jungen, der begeistert den Stock des vernichtend geschlagenen Gegners aufhob, »an diesem unschuldigen
Kind vergreift, dann komme ich zurück und breche dir
beide Arme und Beine.«
»Von wegen unschuldiges Kind!«, maulte der Strubbelkopf, der sich mit einer Hand das Knie rieb und mit
der anderen den Bauch hielt. »Der treibt sich immer am
Pier rum, obwohl er nicht von hier ist. Und die Fischer
verteidigen ihn auch noch, sie sagen, er ist ja noch so
klein! Dann soll er doch bitte schön zu den Kirchen gehen und da um Almosen betteln!«
Trix drohte mit seinem Stock.
»Schon gut, wir krümmen ihm kein Härchen mehr!«,
versicherte der Strubbelkopf, der schnell wegkroch und
versuchte aufzustehen. »Hättest mich ruhig warnen können, dass du auf Leben und Tod kämpfst!«
Trix warf voller Stolz einen Blick auf seinen Stock,
bevor er ihn sich locker über die Schulter legte. »Das
haben mir die besten Meister aus den Bergklöstern im
Norden beigebracht«, entgegnete er von oben herab.
»Klar so weit?«
»Hab ich mir gedacht.« Der Strubbelkopf sah finster
zu seinem Gefolge hinüber. »Aber warum … vor allen
anderen … Jetzt muss ich jeden Einzelnen von ihnen
vermöbeln, um meine Stellung zu behalten …«
Doch Trix war nicht länger gewillt, sich zu einem Gespräch herabzulassen. Er und sein freudestrahlender Gefährte stolzierten an den glücklosen Räubern vorbei, die
ihrerseits Trix mit dem gebührenden Respekt, aber auch
mit Angst nachsahen. Offenbar galt der geschlagene Anführer wirklich als herausragender Stockkämpfer.
»Warum kommst du hierher, wenn sie das nicht wollen?«, fragte Trix.
Der Junge hatte nur ein Prusten als Antwort parat. Allerdings begriff selbst Trix, der bisher nicht viel von den
Problemen des Lebens mitbekommen hatte, dass Orte
wie ein Fischumschlagplatz, an denen ein Junge mit
scharfen Augen und ebensolcher Zunge sich ein hübsches Sümmchen verdienen konnte, nicht einmal in Dillon an jeder Ecke zu finden waren.
»Wie heißt du?«
Der Junge schwieg.
Trix wiederholte seine Frage mit leicht erhobener
Stimme.
»Hallenberry«, antwortete der Junge seufzend.
»Zu Ehren jenes Helden, der einst den Drachen in den
Grauen Bergen getötet hat?«, wollte Trix wissen. »Bist
du denn von Adel?«
»Klaro!« Der Junge schniefte. »Mein Vater war Barde,
der hat mir im Suff diesen blöden Namen gegeben!«
»Wieso ist der blöd? Das ist ein ruhmreicher Name!
Wie heißt es noch?« Trix legte die Stirn in Falten. »Und
Hallenberry zückte beherzt sein Schwert, in den Höhlen
ward das Gebrüll wilder Tiere gehört, ein lauter Schrei
durch die Lüfte gellt, einer Frau der Kopf von den weißen Schultern fällt … Ein alter Name, aber ein echter
Held!«
»Klaro! Hast du eine Ahnung, was ich mir deswegen
anhören muss?«, sagte der Junge, um dann mit angewiderter Stimme fortzufahren: »Hast du schon den Drachen
besiegt, Hallenberry? Oder bisher nur seine dreizehn
Töchter?«
»Verstehe«, murmelte Trix, dem zum
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