Lukianenko Sergej
ungewohnte Weise körperlich
betätigt hatte – zum ersten Mal in seinem Leben fing er
sich Blasen ein (die edlen Aufschürfungen, die vom
Schwertgriff herrührten, sowie die ordinären Scheuerwunden von zu engen Schuhen dürften ja wohl kaum
zählen!) –, stieß das Boot mit der Spitze gegen einen mit
Schilfmatten gepolsterten Lastkahn, der schon seit vielen
Jahren als Anlegestelle diente und von Fischern zum
Ausladen genutzt wurde. In den abbruchreifen Aufbauten
verkauften die Fischer den Händlern ihren Fang.
»Was bringst du?«, rief ein Junge von sieben, acht
Jahren, der zu Trix’ Boot herübergerannt kam. Er hatte so
viel Energie, dass er unermüdlich auf der Stelle hüpfte.
Die nackten Füße erzeugten dabei einen verrückten
Rhythmus. »Was bringst du? Klaro? Was bringst du?«
»Mich«, brummte Trix, als er auf den Anleger kletterte
und das Boot an dem Poller vertäute, der noch am solidesten aussah. Nach dieser Antwort verlor der Junge jedes Interesse an Trix und sprang zurück zu den Händlern.
»He!« Trix fiel etwas ein. »Warte mal, Junge!«
»Klaro?« Der Junge machte auf der Stelle kehrt. Er
war dunkelhaarig und braun gebrannt, an den Schultern
schälte sich die Haut. Er trug bloß zerrissene, grellorangefarbene Shorts. Dillon war dafür bekannt, dass sich
hier jeder Farben leisten konnte. »Was?«
»Ich will mein Boot verkaufen«, sagte Trix.
»Klaro.« Der Junge warf rasch einen Blick auf das
Boot, um dann schreiend über den Lastkahn zu flitzen:
»Jolle zu verkaufen! Intakt, vor zwei Jahren im CoHerzogtum vom Stapel gegangen! Bergkiefer! Gut geteert! Mit Rudern! Ein Goldstück und zwei Silberlinge!«
In seiner Verblüffung konnte sich Trix nur den Nacken
kratzen. Schließlich hievte er den Sack aus dem Boot und
wartete. Es stank nach Fisch. An Stangen wurde ein
Holzkäfig an ihm vorbeigeschleppt, in dem ein feuchtes
Ding mit dicken stacheligen Fangarmen und Borsten lag
und zappelte. Aus den Hautfalten des Wesens guckte
Trix ein wildes, fliederfarbenes Auge an.
Keine fünf Minuten später trat ein bärtiger, stämmiger
Fischer in grobem Leinenoverall und mit einem hellen,
breitkrempigen Hut an Trix heran. Er sah sich die Jolle
an, ging in die Hocke und prüfte das Holz. Schließlich
sprang er ins Boot und trat kräftig auf den Boden, um zu
sehen, wie stabil er war. »Wo hast du es geklaut?«, fragte
er.
»Sein Besitzer wird sich nicht melden«, antwortete
Trix nach kurzer Überlegung.
Der Fischer spuckte ins Wasser und sagte: »Ein Goldstück!«
Trix glaubte jedoch inzwischen fest an den Wert, auf
den der Bengel das Boot taxiert hatte, und schüttelte nur
den Kopf. »Ein Goldstück und zwei Silberlinge! Das ist
ein guter Preis.«
Der Fischer kletterte wieder auf den Kahn. Zweifelnd
sah er Trix an, kramte dann in der Tasche seines Overalls
und holte eine Handvoll Münzen heraus. »Abgemacht.
Nimmst du alles in Silber?«
»Ja«, stimmte Trix zu.
»Musst schon entschuldigen, Kupfer hab ich nicht«,
murmelte der Fischer, als er ihm zwölf Münzen abzählte.
»Aber ein Bengel sollte nicht mit Silber um sich werfen …«
Trix schaffte es weder, sich darüber zu wundern, dass
ein einfacher Fischer zwölf Silberlinge aus der Tasche
zog, noch begriff er, dass er selbst es war, der gerade als
Bengel bezeichnet worden war. Er warf sich den Sack
mit dem restlichen Proviant über die Schulter, nahm, ohne
nachzuzählen, das Geld und ging an Land.
»Klaro!« Der Junge in den orangefarbenen Shorts kam
angerannt und zog ihn energisch am Ärmel. »Und ich?«
Wortlos gab ihm Trix einen Silberling.
»Klaro!«, rief der Junge begeistert. »Danke!«
»Sieh zu, dass du damit nicht um dich wirfst! Klaro ?«,
warnte ihn Trix. »Sonst bist du ihn bald wieder los!«
»Klaro«, versicherte der Junge und steckte das Geld
sofort weg. »Werd ich nicht. Klaro, du willst in die
Stadt?«
»Klaro, klaro«, antwortete Trix, während er die Uferpromenade hinunterlief. Sie war nicht so spektakulär wie
die im Stadtzentrum, aber immerhin gepflastert – wenn
auch die gesprungenen Platten, die teilweise im Dreck
versanken, den guten Eindruck etwas zunichtemachten.
»Kann ich ein Stückchen mit dir mitkommen?«, fragte
der Junge plötzlich.
Trix sah sich um. Und da bemerkte er – schließlich
zählt Wachsamkeit zu den Rittertugenden und war ihm
von klein auf beigebracht worden –, dass seinen jungen
Freund ein paar ältere Burschen vom Kahn aus im Auge
behielten, ohne Frage Handlanger der
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