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Lukianenko Sergej

Lukianenko Sergej

Titel: Lukianenko Sergej Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trix Solier 3445BAB7
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Tag. Aber Trix stand jetzt nicht der Sinn
danach, über die Großherzigkeit nachzudenken, die sich
sogar in Künstlerseelen einnistet. Er hing hilflos in den
Armen des einäugigen Seemanns. Der zog ihn die Straße
den Berg hinauf, immer weiter weg vom Fluss. Die Gaffer blieben zwar etwas zurück, als der Seemann sie mit
seinem einen Auge wütend anfunkelte, gaben die Verfolgung aber nicht auf.
»Herr …« Es kostete Trix einige Überwindung, diese
Anrede über die Lippen zu bringen, denn wie ein Ritter
sah der Seemann wahrlich nicht aus. »Herr! Könnte ich
die Strafe abzahlen?«
»Schieb dir den Anker in die Kehle und den Besanmast in den Arsch!«, polterte der Seemann. »Du wagst
es, Kapitän Bambura zu bestechen? Den Schrecken der
Kristallenen Inseln? Dafür kriegst du zwei Peitschenhiebe
extra!«
Mit einem Mal kamen Trix Zweifel. Der strenge Seemann brachte ihn den Berg hoch, wo es höchst schwierig
sein dürfte, an Bord der ruhmreichen Asiopa zu gehen,
um dort die neunschwänzige Katze zu schwingen. Außerdem redete er irgendwie zu seemännisch.
»Ich rufe die Wache!«, brachte Trix leise, aber drohend hervor.
»Schweig, du Karpfen!«, antwortete Kapitän Bambura
mit gesenkter Stimme. »Wir sind gleich da.«
Er zog Trix in eine Gasse, die so eng war, dass zwei
Menschen nicht aneinander vorbeigehen konnten. Hohe,
zwei- und dreistöckige Häuser ließen nur einen schmalen
Streifen Himmel erkennen, der den Hintergrund für Leinen voller nasser Unterwäsche bildete. Im Fenster des
ersten Stocks saß ein schwarzer Kater und schrie mit
schrecklicher Stimme, dass man ihn gefälligst durchlassen sollte.
»Glotz nicht so!« Kapitän Bambura ließ Trix los, sah
sich misstrauisch nach links und rechts um und öffnete
eine kleine Tür. Er trat ins Haus und befahl: »Komm
schon!«
Trix zögerte.
»Auf dem Bugspriet sollst du zappeln!«, brüllte der
Seemann. »Rasch, Trix!«
Als Trix seinen Namen hörte, fuhr er zusammen. Kurz
zauderte er noch, dann folgte er dem Seemann.
    Es dauerte ein paar Sekunden, bis Trix’ Augen sich an
die Dunkelheit gewöhnt hatten. Er und Kapitän Bambura
standen in einem winzigen Vorraum, in dem sich staubüberzogene Stoffballen türmten. Durch die ins Innere des
Hauses führende Tür fiel kaum Licht. Von dort strömten
ihnen auch der Geruch nach gebratenem Fleisch und das
gedämpfte Murmeln einer Menge entgegen. In diesen
Geräuschen ließen sich übrigens auch Kinderstimmen
ausmachen. In seiner Fantasie malte sich Trix sofort einen
Sklavenmarkt aus, zu dem die in der Stadt gelandeten
Piraten die Jungen und Mädchen lockten, um sie zu
brandmarken und zu verkaufen.
Trix sah Bambura abermals misstrauisch an.
»Rasch, junger Mann!« Der Seemann eilte zur Tür.
»Ich bin fast überfällig!«
    Irgendwo knallte ein Schuss, eine Frau schrie. Trix erschauderte.
»Co-Herzog! Mir bleiben nur drei Minuten, dann muss
ich raus!« Bambura packte Trix beim Oberarm und zog
ihn durch den Vorraum in einen Gang. Hier waren sie
nicht mehr allein (Trix musste mehrfach blinzeln): Auf
sie schossen drei nackte schwarze Wilde in Lendenschurzen und mit Lanzen zu, ein junger Mann, der einen
Bratspieß mit einem Stück Fleisch hielt, eine wunderschöne junge Frau in schneeweißem Kleid, deren Brust
aus irgendeinem Grund mit roter Farbe beschmiert war,
und ein Ritter in einem Ganzkörperpanzer, der schon
längst aus der Mode war. Für einen Mann, der vierzig
Kilo Eisen mit sich herumschleppte, bewegte er sich übrigens verdächtig schnell und leise.
»Wo bin ich?«, fragte Trix ängstlich. Aber Kapitän
Bambura schob Trix bereits in einen winzigen Raum, der
immerhin beleuchtet war. Er wurde fast ganz von einem
großen, wenn auch alten Spiegel eingenommen. Davor
stand ein kleiner Tisch, auf dem etliche Kerzen brannten.
Außerdem lagen auf ihm Puderquaste, Schachteln mit
Puder und Rouge, Lidschatten, Wimperntusche und andere Dinge, die Trix schon im Boudoir seiner Mutter gesehen hatte – jedoch noch nie bei einem Mann.
Kapitän Bambura ließ sich sofort auf den durchgesessenen Sessel vor dem Tisch niederplumpsen. An der
Wand stand eine schmale Liege, auf der, schrecklich verrenkt, ein großer magerer Mann lag und schnarchte.
»Ich verlange eine Erklärung!«, sagte Trix. »Wer seid
Ihr?«
Kapitän Bambura fuhr sich hastig mit einem Quast
übers Gesicht, um darauf ziegelroten Puder zu verteilen,
zog die schwarze Binde ab und sah Trix mit beiden Augen an – von denen eins so gut

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