Lukianenko Sergej
Als
Krakritur gedankenversunken auf seine Hände schaute,
fielen Trix zum ersten Mal die alten Narben auf, die sie
überzogen. »Es war ein schreckliches Stück. Niemand
kann sich in das Schicksal eines Bergbewohners hineinversetzen.«
»Verstehe«, brummte Trix. »Was ratet Ihr mir dann?
Um mich zu rächen, meine ich.«
»Der Fürst wird dich nicht anhören.« Kopfschüttelnd
und voller Zweifel sah er Trix an. »Kannst du kämpfen?«
»Ja!«, sagte Trix stolz in Erinnerung an das Duell, das
er kürzlich gewonnen hatte.
»Dann kann ich dir einen Rat geben, mein Junge.«
Krakritur stockte. »Aber er bedeutet harte Arbeit und
lange Jahre des Wartens. Fünf, zehn, zwanzig Jahre …
mindestens.«
Trix verzog das Gesicht. Wie jeder junge Mann machte
er nicht gern langfristige Pläne. Wie kann man zwanzig
Jahre im Voraus planen, wenn man erst vierzehn ist?
»Was ist, willst du meinen Rat hören?«, fragte Krakritur.
»Wenn es keine Alternative gibt.«
»Versuch nicht zu beweisen, dass du ein Recht auf den
Thron hast. Denn das hat immer derjenige, der gerade auf
ihm sitzt, vergiss das nie! Im besten Fall wirst du geschlagen und ausgelacht, im schlechtesten landest du im
Kerker oder kriegst ein Messer in den Rücken.«
»Aber was kann ich dann tun?«
»Versuche, Knappe zu werden und zum Ritter aufzusteigen. Dann kommst du wieder in den Adelsstand,
diesmal jedoch nicht aufgrund deiner Geburt, sondern
aufgrund deiner eigenen Taten und Siege. Als hervorragender Ritter darfst du deinen Feind zum Duell fordern,
selbst wenn er ein Herzog ist. Das Schwert löst die Probleme nicht schlechter als das Wort des Königs.«
Trix schwieg. Der Gedanke, den hinterhältigen Sator
zum Duell zu fordern, ihm mit der Lanze eins überzuziehen und ihn mit dem Schwert in zwei Teile zu spalten,
gefiel ihm. Danach würde er noch Derrick in einem Turnier gegenüberstehen, ihn an den begeisterten Zuschauern
auf den Tribünen vorbeitreiben und ihm die edle Ritterfaust zu kosten geben …
»Das ist kein leichter Weg«, schloss Krakritur. »Denn
du musst zu einem Ritter werden. Zu einem echten Ritter,
über den es Balladen gibt.«
»Balladen …«, wiederholte Trix. »Sagt, Krakritur …
wie habt Ihr es geschafft, einen wilden Irbis zu besiegen?«
»Wie schon?«, erwiderte Krakritur seufzend. »Ich
komme aus den Bergen! Erst habe ich ihm mit einem
schweren, spitzen Stock zugesetzt, den ich ihm dann in
den Schlund gejagt und zweimal herumgedreht habe. Das
Blut spritzte wie auf einem Schlachthof! Du machst dir
keine Vorstellung, wie seine Schreie in der nächtlichen
Stille geklungen haben!«
Trix schluckte. Er wollte lieber nicht so genau wissen,
woraus Wurst gemacht wurde und wie ein Sieg über ein
wildes Tier aussah. Natürlich war er, der Sohn und Erbe
des Co-Herzogs, mit seinem Vater auf die Jagd gegangen. Aber da tötete man kleine Tiere mit Pfeil und Bogen, Diener sammelten sie ein (mit etwas Glück war auch
ein größeres Tier darunter) und nach einer gewissen Zeit
servierten sie ein schmackhaftes Essen.
»Ihr seid ein Held«, versicherte Trix. »Vielen Dank.
Ich werde versuchen, ein echter Ritter zu werden.«
Krakritur blickte noch auf die Tür, als Trix sie schon
lange hinter sich geschlossen hatte. Irgendwann holte er
mit einem traurigen Lächeln eine bauchige Flasche kräftigen Weins unter seinem Bett hervor und goss zwei Becher voll.
In diesem Moment kam Bambura zurück, etwas bedrückt, aber nicht hoffnungslos. Er hob Albi hoch, der
ihm fröhlich die Nase ableckte.
»Maichel ist heute eine Laus über die Leber gelaufen«,
verkündete Bambura noch auf der Schwelle. »Egal! Er
wird schon einsehen, dass an dir ein Künstler verloren
gegangen ist, und froh sein, dich in der Truppe zu haben.
Trix …?«
»Der Junge ist fort«, sagte Krakritur. »Wir haben uns
unterhalten, und ich habe ihm erklärt, dass er mit der
Kunst die Welt nicht ändern wird.«
»Ach ja?«, giftete Bambura und setzte den Hund auf
dem Boden ab. »Und wo ist er hin?«
»Ich glaube, er will Ritter werden.« Krakritur hielt
seinem Freund den Becher mit dem Wein hin. »Eine
zweifelhafte Wahl, denn er hat weder den nötigen Körperbau noch die geistige Schlichtheit, die man braucht,
um einem lebenden Menschen eine Klinge über den
Schädel zu ziehen. Ehrlich gesagt verstehe ich ganz
gut, warum du versuchst hast, ihn bei uns unterzubringen, mein Freund. Einer wie er taugt zu einem guten
Herrscher in einem friedlichen und reichen Herzogtum.
Aber
Weitere Kostenlose Bücher