Lukianenko Sergej
ihn die wahre Herkunft
des Wachpostens gar nicht sonderlich interessierte.
Nachdem er die Straße ein kleines Stück hinaufgelaufen war, gelangte er zu einem kleinen Platz mit einem
Springbrunnen. Eine moosbewachsene Steinfigur in seiner Mitte stellte eine junge Frau mit einem Krug dar, aus
dem das Wasser floss. Die Frau hatte nichts anderes am
Körper als besagtes Moos. Trix setzte sich auf die Steineinfassung und sah die Figur leicht verlegen an.
Sollte er also Ritter werden?
Das war ein edles Ansinnen, dessen sich selbst ein
hochgeborener Herrscher in der Verbannung nicht zu
schämen brauchte. Zahllose Balladen und Chroniken
wussten von entmachteten und vertriebenen Herrschern
zu berichten, die einen neuen Namen annahmen, Ritter
wurden – und schließlich triumphierend auf den Thron
zurückkehrten. Daher hatte Trix nichts gegen Krakriturs
Rat einzuwenden.
Wenn es bloß nicht so lange dauern würde!
Trix seufzte und starrte skeptisch auf seine schmalen
Hände. Er hatte ja schon Mühe, ein Schwert zu halten.
Die nächsten zwei, drei Jahre würde er in Rüstung bestimmt ständig schwanken und selbst der Anderthalbhänder dürfte ihm Probleme bereiten. Nur in Kinderbüchern
wie Die kleinen roten Dämonen wird ein Junge mit dem
Schwert in der Hand mühelos mit einem erwachsenen
Ritter fertig.
Trix seufzte erneut.
Verstehen wir das als Zeichen dafür, dass er sich zu
dem Schritt durchgerungen hat. Selbstverständlich war es
beschämend, den Weg als Knappe zu beginnen, da er
kraft Gesetz bereits Ritter war und selbst jemanden zum
Ritter schlagen durfte. Obendrein hatte er sogar schon einen Knappen! Als er an Ian dachte, diesen Verräter, ballte
Trix die Faust. Doch dann verbot er sich die Grübeleien.
Er würde Knappe werden! So schwer dürfte das ja wohl
nicht sein, schließlich konnte er lesen und schreiben,
kannte die Ritterbräuche und die Turnierregeln. Einen solchen Knappen würde jeder Ritter mit Kusshand nehmen!
Nur musste er erst einmal einen Ritter ohne Knappen
finden.
Trix dachte nach. Im Co-Herzogtum gab es nur wenig
echte Ritter, meist ältere, sesshafte, die formal der Garde
einer der beiden Herrscher angehörten, eigentlich jedoch
die meiste Zeit damit zubrachten, sich von ihren einstigen Kriegestaten zu erholen. Entsprechend waren ihre
Knappen: in die Jahre gekommene Ehemänner und Väter, die mit Herz und Seele in ihrem Dasein aufgingen
und voll Begeisterung von den herrlichen Turnieren erzählten, bei denen sie dabei gewesen waren. »Da wurde
dem Baron sein drittes Pferd unterm Hintern erschlagen,
aber ich bewahrte die Ruhe …«
Natürlich gab es auch Ritter, die durchs Land zogen,
um sich vorübergehend den Grenzgarnisonen anzuschließen, einzelnen Baronen oder Vogten im Kampf
gegen Räuberbanden oder aus ihren Höhlen herauskriechenden Monstern zu helfen (wobei die meisten Monster leider nicht herauskrochen, sondern herausjagten
oder -flogen). Unter diesen fahrenden Rittern gab es
auch ruhmreiche, deren Titel mehrere Minuten in Anspruch nahm: Aldegor tan Sart, Veteran der Schlacht bei
Medloch, der im Kampf bei Hugrid ein Auge verlor, Sieger über den ruhmvollen Sir Mortis aus Aguada, Vernichter der grauen Riesenraupe von Parama, Teilnehmer
am Zweiten Magischen Krieg … Und so weiter und so
fort. Irgendwann bedeutet der Ritter mit einem huldvollen Winken, es reiche, wer schere sich um Titel, wo man
unter seinesgleichen sei!
Sicher, es gab auch stinknormale Ritter, die in der
Schlacht bei Hugrid beide Augen, Ohren, Arme und Beine
behalten hatten, die der Riesenraupe nie gegenübergestanden hatten, weil diese bereits im Sumpf verschwunden war, nachdem sie ein ganzes Dorf verschlungen hatte,
die einer Begegnung mit Sir Mortis (ebenso einer mit tan
Sart) stets glücklich entgangen waren und im Zweiten
Magischen Krieg vom Schicksal dazu auserkoren worden
waren, den Wagen mit dem Proviant und den leichten
Mädchen zu bewachen. Das Volk verehrte sie übrigens
nicht minder.
Bei einem Ritter als Knappe aufgenommen zu werden
galt also in jedem Fall als großes Glück. Viele Jungen
von niederem Stand übten sich von klein auf mit Stöcken,
lernten fechten, studierten die Wappen und die komplizierten Regeln der adligen Etikette. Sobald in einer Stadt
oder in einem Dorf ein Ritter ohne Knappe auftauchte,
umschwirrte ihn eine Schar Jungen, und jeder hoffte,
ausgerechnet er werde auserwählt. Und Ritter ohne
Knappen waren durchaus keine Seltenheit. Mal verließ
sie ein
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