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Lukianenko Sergej

Lukianenko Sergej

Titel: Lukianenko Sergej Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trix Solier 3445BAB7
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Elfen.«
»Wahrscheinlich steckt eine sehr romantische Geschichte dahinter«, sagte Trix. »Wenn Eure Großmutter
eine Zwergin war. Oder?«
Paclus setzte sich ruckartig im Bett auf. Er griff nach
einer Kerze, ging zu dem Strohsack hinüber, beugte sich
über Trix, führte die Kerze vor sein Gesicht und musterte
ihn argwöhnisch. Als er sich sicher war, dass Trix ihn
nicht verspottete, zerzauste er dem Jungen lächelnd das
Haar, löschte mit seinen dicken Fingern die Flamme und
flüsterte: »Zeit zu schlafen, wir brechen morgen früh
auf!«
»Gute Nacht, Herr«, brachte Trix die ungewohnte Anrede mit Mühe über die Lippen.
»Gute Nacht, Knappe.« Paclus’ Stimme verriet immer
noch eine gewisse Verlegenheit. Er ließ sich schwer aufs
Bett plumpsen und wälzte sich eine Weile hin und her,
bis er die richtige Position fand. »Sie war schon romantisch, die Geschichte«, sagte er schließlich. »Meine Großmama und mein Großpapa wurden bei einem Schiffbruch
auf eine einsame Insel gespült.«
»Gab es da Wilde?«, fragte Trix.
»Was? Was für Wilde?! Ich hab doch gesagt, die Insel
war einsam! Da war niemand! Nicht mal Ziegen! Fünf
Jahre hat mein Großvater sich beherrscht, aber im sechsten hat er meiner Großmutter einen Heiratsantrag gemacht. Er war ja schließlich nicht aus Eisen. Ein Jahr
später, als meine Mutter gerade auf die Welt gekommen
war, lief ein Piratenschiff die Insel an, um seine Wasservorräte zu ergänzen. Meine Großeltern bewegten die
Halsaufschneider dazu, sie mit zurückzunehmen. Zu den
Zwergen konnte meine Großmama nicht mehr, die sind
da sehr streng. Aber mein Großpapa war ein Mann von
Ehre. Er stand zu seiner Ehe. Außerdem liebte er seine
Tochter. Bis ins hohe Alter hat er ihr eigenhändig den
Kopf geschoren.«
Wie gebannt lauschte Trix der Geschichte.
»Mein Großpapa fehlt mir«, fuhr Paclus fort. »Er ist
vor Kurzem gestorben.«
»Und Eure Großmutter?«, fragte Trix.
»Meine Großmutter? Sie ist Zwergin, das sagt doch alles! Nach wie vor steht sie in der Schmiede und schwingt
von morgens früh bis abends spät den Hammer. Meine
Rüstung stammt von ihr! In der steckt übrigens auch jene
Kraft, die mich gegen Magie feit. Meine Großmama ist
eine wahre Meisterin! Sie macht sich Bierkrüge selbst,
die Bartnadeln …«
»Meine Großmama hat auch gern … gestickt«, bemerkte Trix kühn.
»Das ist nur zu begrüßen!«, lobte Paclus. »Wie adlig
du auch sein magst, du musst auch was mit deinen Händen anzufangen wissen! Doch genug! Schlaf jetzt!«
Trix fielen jetzt in der Tat die Augen zu – und auch
die Lippen. Er schlief schnell und fest ein.
Paclus dagegen wälzte sich lange hin und her und
stand sogar noch einmal auf, da er ein Geschäft zu erledigen hatte. Als er vom Hof zurückkam, betrachtete er
Trix, der zusammengerollt auf seinem Strohsack lag, voll
ungestümer Zuneigung und deckte ihn fürsorglich mit
seiner, Paclus’, Decke zu. Die Nacht war frisch, vom
Meer wehte ein kalter Wind heran. Doch wie jedem
Menschen mit einem Schuss Zwergenblut machte Paclus
die Kälte nicht viel aus.
    Will man wissen, wie es um einen Staat bestellt ist,
braucht man sich nur seine Straßen anzusehen, das weiß
jeder. Ein ehrgeiziger und strenger Herrscher, der die
Bauern an den Bettelstab bringt und seine Bürger mit
Steuern erdrückt, mag sich eine Hauptstadt von unsagbarer Schönheit leisten. Unter einem trägen und willenlosen
Herrscher, der dem einfachen Volk alles durchgehen
lässt, wachsen und gedeihen womöglich die Dörfer und
Städte, während der Staat selbst im Sterben liegt. Doch
im einen wie im anderen Fall wird es kaum Straßen geben, denn nur ein Herrscher, der in sich Strenge und
Nachgiebigkeit, Wille und Geduld vereint, spannt in seinem Land ein Netz von Wegen, das es fester zusammenhält als die Hellebarden der Soldaten, die gemeinsame
Sprache oder der gemeinsame Glaube.
    Im Königreich gab es Straßen. Und zwar überall.
Doch im Fürstentum Dillon – und das hätte niemand abzustreiten gewagt – waren sie in Ordnung. Mal handelte
es sich nur um festgestampfte Erde, mal waren sie mit
Stein oder Steinholz gepflastert, wenn es sein musste,
gab es Brücken und Fährstellen, Schenken, Pferdeställe
und Häuser für die Wachposten entlang des Weges. Sicher,
in einigen wilden Gegenden traf man auf Räuber und
unwegsames Gelände (niemand wusste, was schlimmer
war und was die Staatskasse mehr belastete), aber im
Großen und Ganzen war es ein

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