Lukianenko Sergej
heißt das – die schnappen sie?«, empörte sich
einer der drei. »Gab es denn keinen Kampf?«
»… nach langem und blutreichem Kampf!«, flocht
Glamor schnell ein. »Sie schnappen sie und sagen: ›Wir
essen euch! Wir verschonen nur denjenigen, der drei
Heldentaten vollbringt: Er muss einen Eimer gegorene
Kokosmilch trinken, einen Zyklopen aufs Auge küssen
und eine von unseren unersättlichen Frauen im Bett zufriedenstellen.‹«
»Seltsame Bräuche«, bemerkte der Skeptiker nachdenklich. »Die Frau, das verstehe ich. Viele Wilde nehmen
Gefangene, damit die Kinder zeugen, denn das schützt
vor Inzucht. Aber warum sollten sie den Zyklopen aufs
Auge küssen? Ist das irgendein barbarischer Kult?«
»Und dann der Eimer gegorene Kokosmilch! Das ist
auch merkwürdig!«, ließ sich der Dritte vernehmen. »Die
Eingeborenen gieren doch selbst nach Alkohol. Die werfen doch nicht mit dem wertvollen Gut um sich.«
Glamor winkte nur ab und machte sich über sein Essen
her. Er trank sein Bier aus und sagte: »Gehen wir davon
aus, dass ich meine Erzählung beendet habe. Wirklich,
manch einer hat so gar keinen Grund, sich ein dickes
Filzpolster in den Helm zu legen! He, Junge, willst du
was von mir?«
Trix trat schüchtern an den Tisch heran. Sir Glamor
gefiel ihm sehr. Sicher, auch bei ihm musste ein Knappe
wohl mit einer Ohrfeige rechnen – aber bestimmt würde
er ihn nie losschicken, um einem Bauern ein Huhn zu
stehlen. Eher würde er das noch selbst übernehmen und
sich dabei ins Fäustchen lachen.
»Habe ich die große Ehre, vor dem edlen Sir Glamor
zu stehen?«, fragte Trix.
»Eine würdige Anrede verlangt eine würdige Antwort«, entgegnete der Ritter grinsend. »Ja, Jüngling. Ich
bin Sir Glamor.«
Es kostete Trix Überwindung, sich aufs Knie niederzulassen und zu sagen: »Edler Sir! Ich bitte Euch inständig, mir die große Ehre zu erweisen und mich als Knappe
in Euren Dienst zu nehmen. Ich schwöre, Eurem ruhmvollen Namen keine Schande zu bereiten und alle Beschwernisse des Dienstes mit Würde und ohne Widerspruch zu ertragen.«
»Gut gesprochen«, bemerkte Glamor.
»Er drückt sich elegant aus«, bestätigte der Skeptiker.
»Wie lange habe ich schon keinen gescheiten Knappen
getroffen! Schade, dass meiner sein Fieber überlebt hat,
den hier hätte ich gern genommen.«
Trix wartete geduldig.
Sir Glamor seufzte, streckte die Hand aus und zerzauste
Trix das Haar. »Ich habe deine Worte gehört, Jüngling«,
sagte er feierlich. »Und ich halte sie für schön in der
Form und erhaben im Inhalt. Hätte ich die Möglichkeit,
würde ich dich als Knappe aufnehmen und dir helfen, ein
echter Ritter zu werden. Aber …«
»Aber?«, fragte Trix verzweifelt.
»Du bist nicht rothaarig.«
Trix riss verblüfft die Augen auf. Sir Glamor seufzte
erneut und fuhr fort: »Ruhmreicher Jüngling, du musst
wissen, dass ich, als ich Ritter wurde, geschworen habe,
mir nur Knappen zu nehmen, welche die Natur mit rotem
Haar gesegnet hat. In meiner Kindheit musste ich wegen
der unadeligen Färbung meines Schopfes den Spott meiner Gefährten erdulden. Die dummen, abergläubischen
Vorstellungen des einfachen Volkes, dass sich Rothaarige vor der Arbeit drücken, dazu neigen, am Leim festzukleben, und ähnlicher Humbug trugen mir reichlich
Kummer ein. Deshalb nehme ich nur rothaarige Jungen
und helfe ihnen nach Kräften, ihren Platz in dieser rauen
Welt zu finden.«
Trix erhob sich. »Sir Glamor«, bat er. »Könnt Ihr denn
nicht eine Ausnahme machen?«
»Nein«, antwortete Glamor. »Es schmerzt mich selbst.
Aber ein Ritter darf seinen Schwur nicht brechen.«
Er tätschelte Trix mit der schweren Ritterpranke die
Schulter. »Viel Glück, Jüngling. Ich hoffe, du findest
einen würdigen Herrn und wir werden eines Tages die
Lanzen beim Turnier kreuzen!«
Damit war die Sache entschieden. Glamor gehörte
nicht zu den Rittern, die einen Eid brechen.
»Und Euch große Heldentaten, Sir Glamor«, sagte
Trix traurig.
Er hätte nie gedacht, dass das edle Schwarz seines
Haars ihm eines Tages zum Verhängnis werden würde.
(»Das Haar hat er von der Mutter, sie hat auch dieses
Schwarz von einem Rabenflügel«, hatte sein Kindermädchen gesagt, als er noch sehr klein war.) Als ihm Tränen
in die Augen traten, wandte er sich rasch ab, damit Sir
Glamor seine unwürdige Schwäche nicht sah. Halb blind
stolperte Trix sogleich gegen eine kühle Metallrüstung.
»Setz dich!«, befahl jemand mit strenger Stimme.
Die eine Hand
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