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Lukianenko Sergej

Lukianenko Sergej

Titel: Lukianenko Sergej Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trix Solier 3445BAB7
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das war,
trat ans Postament heran und las: Der edlen und großherzigen Fürstin Codiva von ihren dankbaren Bürgern.
Die Fürstin Codiva war die Großmutter der minderjährigen und deshalb noch nicht regierenden Tiana. Sie war
vor fünfzig Jahren zu Berühmtheit gelangt, und zwar als
ihr Mann, der regierende Fürst, beschlossen hatte, die
Steuern auf Salz, Streuzucker und Schwefelhölzer zu
erhöhen. Obwohl das Volk in seiner Empörung mit einem Aufstand drohte, blieb der Fürst stur. Und als ihn die
Fürstin bat, dem Volk nachzugeben, sagte er, der ein
ausgesprochener Spaßvogel war: »Wenn du nackt auf der
Promenade erscheinst, verzichte ich auf die Erhöhung!«
Viele glaubten, der Fürst habe darauf gehofft, Codiva
würde sich eine der zahllosen Lücken zunutze machen,
die seine Forderung ließ. Zum Beispiel hätte sie nackt am
Fluss erscheinen können – aber in einer Kutsche oder
Sänfte. Oder sie hätte ihr prachtvolles Haar öffnen und
sich damit bedecken können. Oder in tiefster Nacht
kommen und vorab der Wache den Befehl erteilen können, alle Gaffer zu vertreiben. Kurz gesagt, Codiva hatte
jede Menge Möglichkeiten. Sie nutzte keine davon. Die
Herzogin sattelte eine schneeweiße Stute, jagte zum Ufer
und ritt die Promenade hinauf und hinunter. Absolut
nackt. (Vorsichtshalber hatte sie sogar die Haare zu einem dicken Knoten aufgesteckt.)
Daraufhin hob der schockierte Fürst die Steuern für
Salz, Streuzucker und Schwefelhölzer gänzlich auf und
gab sich die nächsten anderthalb Wochen dem Suff hin.
Als er wieder nüchtern war und sich mit seiner Gattin
aussöhnen wollte – sie war nach dieser Heldentat zum
Liebling des Volkes geworden –, verlangte diese, er solle
auch die Steuern für Seife aufheben, damit »unsere Untertanen sauber sind und Krankheit vermeiden«. Der
Fürst stellte sich erneut stur wie ein Troll, den man unter
einer Brücke weg- und ans offene Tageslicht jagen wollte.
Die Fürstin zog sich prompt wieder aus, begab sich nackt
auf einen Spaziergang durch die Stadt und erklärte, sie
kehre nicht eher zurück, bis ihre Forderung erfüllt sei.
Da der Fürst seine Frau aufrichtig liebte, hob er die
Steuern für Seife auf, worauf es in der Tat weniger Epidemien gab. Die Männer verlangten von ihren Frauen
jetzt nämlich, eine ebensolche Reinlichkeit an den Tag zu
legen wie die edle Fürstin, und fingen auch selbst an, sich
fast regelmäßig einmal die Woche zu waschen.
Die Geschichte weiß noch von zwei ähnlichen Heldentaten Codivas zu berichten. Einmal ging es um die Errichtung einer Volksschule für Kinder aus den armen
Vierteln, einmal um den freien Zugang zu einem Stück
Strand. In allen anderen Fällen schaffte es die Wache des
Fürsten, die Fürstin am Palasttor aufzuhalten.
Das weitere Schicksal von Codiva ist recht nebulös.
Angeblich erkrankte sie schwer, danach sei ihr herrlicher
Körper durch die Heiltätowierungen der Zauberer entstellt gewesen. Vielleicht stimmte das sogar. Auf alle
Fälle genoss die Gilde für magische Zeichnungen nach
der Genesung Codivas die Gunst des Fürsten. Codiva
dagegen trug bis ans Ende ihrer Tage nur noch bodenlange Gewänder und gestattete es sich nur selten, den Rock zu
raffen, um einem Pagen ihren linken Fuß zu zeigen, der,
wie es hieß, einzige Teil ihres Körpers, auf dem durch
einen Fehler der Zauberer weder eine Spinne noch ein
Skorpion oder ein anderes Scheusal prangte. Drei Jahre
später entschlief sie sanft, nachdem sie dem Fürsten einen Erben geboren hatte. Sie soll auf eigenen Wunsch
nackt und in einem Kristallsarg bestattet worden sein.
Aber solche Sachen werden berühmten Leuten ja immer
nachgesagt, oder? Seine nächste Frau suchte sich der
Fürst in einem fern gelegenen Bergdorf. Die Frauen dort
waren für ihre Bescheidenheit und Sittsamkeit berühmt
und trugen einen Schleier aus dunklem Mull vor dem
Gesicht.
Doch so oder so, der Magistrat der Stadt erklärte jedenfalls kurz nach Codivas Tod, er wolle Mittel für ein
Denkmal sammeln. Diesmal beugte sich der Fürst dem
Willen des Volkes. Dieses kam ihm allerdings so weit
entgegen, dass der Körper der Fürstin durch ihr offenes
Haar verdeckt wurde – womit (und durchaus nicht zum
ersten Mal) die Moral über die Wahrheit triumphiert hatte.
Trix wiederum sei zugutegehalten, dass er sich weniger für die schlanke Figur der Fürstin interessierte als
vielmehr Gefallen an ihrem Gesicht fand. Die Frau auf
dem Pferd sah sehr lieb aus, auch wenn

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