Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lukianenko Sergej

Lukianenko Sergej

Titel: Lukianenko Sergej Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trix Solier 3445BAB7
Vom Netzwerk:

eindeutig von weit her kommt – zum Beispiel aus Arsong
oder aus Bossgard.
    »Der Junge ist müde«, sagte einer der Beobachter, ein
durch und durch respektabler Zimmermann. »Vielleicht
der Gehilfe eines Kaufmanns.«
    »Glaub ich nicht. Dafür ist sein Blick zu ehrlich und
unverstellt«, widersprach sein Freund, der wegen des
Mangels an fester Arbeit und damit an Geld auf Kaufleute
nicht gut zu sprechen war. »Krieg ich noch was?«
    Über dem Einschenken des Apfelweins entging ihnen,
wie der Junge das Pferd auf eine Straße hinauf zum Berg
lenkte. Oberhalb des Flusses lagen die reicheren Häuser,
dort lebten zwar noch keine Adligen, aber eben auch keine
Handwerker mehr. Statt ein paar spärlicher Bäume vor
dem Haus gab es hier zur Straße hin Zäune und nach hinten raus grüne Gärten. Je nach Reichtum und Ehrgeiz der
Besitzer waren die Gärten mal mit den in jeder Hinsicht
nützlichen Apfel- und Pflaumenbäumen bepflanzt, mal
mit schönen Zierhölzern, die sich jedoch nur verfeuern
ließen.
    Nach einem Blick auf ein Blatt Papier, auf das Meister
Sauerampfer den Weg akkurat eingezeichnet hatte, steuerte Trix einen vor Altersschwäche gebeugten Zaun an,
dessen weiße Farbe schon vor langer Zeit grau geworden
war und nun abblätterte. Die Pforte war bloß mit einem
Kantholz verschlossen und ließ sich problemlos von außen öffnen. Büsche und Bäume verbargen das tief im
Garten stehende kleine Haus weitgehend. Obwohl es für
jeden ersichtlich leer gestanden hatte, waren die Scheiben
nicht eingeschmissen, hatten die Blumenbeete noch nie
mit der Schere eines Diebs Bekanntschaft geschlossen.
Das war nicht weiter verwunderlich, denn durch den Garten flog ein auch bei Tage gut zu erkennendes Wachlicht.
Kaum hatte Trix die Pforte geöffnet und war eingetreten,
sauste es auf ihn zu. Trix blieb stehen.
    Wachlichter sind keine Seltenheit, jeder schwache
Magier bringt sie zustande. Und jeder reichere Bürger
kann sie sich zulegen. Mit etwas Geschick und Kraft
kann ein Dieb es sogar täuschen und löschen – mal mit
einem Hemdsärmel aus Salamanderleder, mal mit einem
Eimer Wasser. Aber gegen Jungen, die Blumen klauen,
oder gegen kleine Diebe, die von jedem verlassenen
Haus angezogen werden, schützt so ein Licht recht gut.
    Das Licht war so groß wie eine Apfelsine, ebenso
orange, nur nicht fest, sondern durchscheinend, als bestünde es aus brennender Luft. Mit etwas Fantasie konnte
man in ihm ein Gesicht ausmachen.
    »Mich schickt dein Herr«, sagte Trix. »Hier ist sein
Zeichen, hier ist sein Ring, hier ist ein Papier mit seiner
Unterschrift.«
    Das Feuer drehte sich über Trix’ ausgestreckter Hand.
Der Daumen des Jungen war hochgereckt – das war
das Zeichen. Auf dem Daumen saß ein etwas zu großer,
schlichter Silberring. Und die vom Meister erstellte Karte
trug den eleganten Schriftzug seiner Unterschrift. Zufrieden berührte das Licht das Papier, worauf dieses aufloderte und unverzüglich in Trix’ Hand zu Asche zerfiel.
Das Licht leuchtete heller auf und flog davon, um weiter
durch den Garten zu patrouillieren. Einige Magier hatten
ihren Lichtern noch weitere Aufgaben zugedacht: den
Weg weisen oder in der Dunkelheit Licht spenden zum
Beispiel. Aber Sauerampfer war der Meinung, dass ein
Wachposten, der sich noch mit anderen Dingen beschäftigte, nichts taugte.
Trix führte das Pferd über einen Sandweg zum Stall.
Mit einem Seufzer machte er sich ans Abladen der Taschen. Wie gesagt, die Arbeit eines Zauberlehrlings besteht zu neunzig Prozent aus Auspacken, Abwaschen und
Aufräumen.
Eine Stunde später war das Pferd gestriegelt und gefüttert und das Gepäck ins Haus gebracht. Trix schüttete
das abgestandene Regenwasser aus einer Schüssel an der
Vortreppe aus, schöpfte dann – welch Luxus! – frisches
aus dem Brunnen im Garten, brachte es ins Haus, zog
sich, nachdem er ein »Guck weg!« Richtung Jackentasche gezischt hatte, aus und wusch sich. Radion hatte
dafür gesorgt, dass er noch ein sauberes Hemd und saubere Hosen dabeihatte. Als er sich in dem kleinen Spiegel
in der Diele anschaute, war er mit dem Resultat durchaus
zufrieden.
Natürlich war Trix in der Woche, die seit seiner Flucht
und Verbannung vergangen war, nicht sonderlich gewachsen. Offen gesagt war er überhaupt nicht gewachsen.
Doch sein Blick war ernster, sein Mund entschlossener.
Er war immer noch ein Junge – aber kein weltfremder
Höfling mehr.
Bei seiner Ankunft in Dillon war Trix absolut sicher

Weitere Kostenlose Bücher