Lukianenko Sergej
Trix lief die ganze Reihe ab, bis er endlich einen
Händler fand, der aus einer Truhe einen kleinen Tonkrug
holte. »Denk dran«, ermahnte er ihn, »nicht mehr als drei
Löffel auf einmal.«
Leicht verwirrt durch diese Warnung, trennte sich Trix
von dem Silberling (der Händler schnaufte mehrmals,
reckte die Hände zum Himmel und forderte mehr – bis er
sich überzeugt hatte, dass der Junge wirklich kein Geld
mehr hatte). Als Trix wieder bei Ian war, half er ihm, die
Einkäufe sicher zu verstauen, dann schlängelten sie sich
durch die Menge. Die Sonne brannte bereits.
»Also, ich bin gern Diener eines Zauberers«, erklärte
Ian. »Was wir alles eingekauft haben! Und dieses Abenteuer mit …«
»Pst!«
»Mit dem Lehrling des Barden«, raunte Ian geheimniskrämerisch. »Hältst du mich für so dumm? Also, wenn
du mich fragst, ich liebe Abenteuer. Nur gut müssen sie
ausgehen.«
»Nur dann sind es überhaupt Abenteuer. Wenn es
schlecht ausgeht, spricht man von Desaster.«
Erst eine Stunde später (die Straßen waren inzwischen
voll von Menschen) erreichten Trix und Ian Sauerampfers Haus. Schon von Weitem witterte Trix Unheil: Die
Pforte stand offen und schwankte im Wind, vor dem
Zaun hatte sich eine kleine Menge versammelt, zwei, drei
Dienerinnen, die vom Markt zurückgekehrt waren, einige
Rotzbengel und ein kräftiger, dunkelhäutiger Mann (offenbar mit einem Schuss Samarschaner Blut in den
Adern), der gut gekleidet war und eine Pfeife rauchte.
Er trat vor, sobald sich der Wagen näherte, und sah die
Jungen durchdringend an. »Du wohnst hier?«, wandte er
sich an Trix.
»Ja.« Trix wollte lieber nicht lügen.
»Wessen Haus ist das?«
»Das vom Zauberer Radion Sauerampfer.«
»Und du bist?«
»Trix, der Schüler Radion Sauerampfers. Ich bin gestern Abend gekommen, um das Haus für die Ankunft von
Herrn Sauerampfer vorzubereiten.«
»Ich will hoffen, dass du nicht lügst … Trix«, sagte er
schon freundlicher. »Ich bin Adhan, der Viertelvorsteher.«
Was das war, wusste Trix nicht, denn im CoHerzogtum gab es ein solches Amt nicht. Trotzdem nickte
er höflich.
»Und wen hast du da dabei?« Adhan sah Ian an.
»Einen Diener.«
»Wenn du das nächste Mal weggehst, lass deinen Diener zu Haus. Bei euch wurde nämlich eingebrochen.«
»Was?«, fragte Trix erschrocken. »Aber …«
»Ihr habt Glück gehabt, dass die Wache gerade in der
Nähe war«, fuhr Adhan fort. »Sie haben den Dieb bemerkt, ihn geschnappt und abgeführt.«
»Aber wir haben doch ein Wachlicht!«, rief Trix.
»Und der Dieb hatte ein Amulett dagegen. Heutzutage
geht ja nichts mehr ohne Magie!« Adhan spuckte aus.
»Der Ritter musste dein Licht mit seinem Schwert zerschlagen, dabei ist ihm seine ganze Rüstung verrußt.«
»Bei der Wache war ein Ritter?«, mischte sich Ian ein.
»Weiß dein Diener nicht, was sich gehört?«, empörte sich Adhan. Da er im Grunde aber gern antworten
wollte, machte er das auch, schaute dabei jedoch nur
Trix an. »Ja, die Wache hatte einen Ritter dabei, sonst
wären sie nämlich nicht mit dem Feuer fertig geworden. Wenn dein Lehrer kommt, bitte ihn, bei Adhan
vorzusprechen. Große Taten und gelehrte Forschungen
halten den Magister Sauerampfer nun schon seit über
zwei Jahren davon ab, die Grundsteuer zu bezahlen und
seinen Beitrag für den Unterhalt der Wache zu entrichten. Wie du aber selbst siehst, leben wir in unruhigen
Zeiten …«
»Wohin wurden die Diebe denn gebracht?«, erkundigte
sich Trix.
»Der Dieb, er war allein. Sah eigentlich ganz manierlich aus, der junge Mann. In den Palast. Wahrscheinlich
ist er der Sohnemann von einem Adligen. Der braucht
dann nur Papas Namen zu nennen und schon entgeht er
dem Arrest. Mit ein paar Dutzend Peitschenschlägen
wird er davonkommen. Während ein einfacher Dieb in
den Minen gelandet wäre!«, polterte Adhan.
»Komm!« Trix zog Ian hinter sich her. »Vielen Dank,
Herr Viertelvorsteher.«
Als sie den Wagen in den Garten brachten, kamen sie
an einem schwarzen Fleck vorbei – das war alles, was
von dem Wachlicht übrig geblieben war. Trix warf Ian
die Zügel zu.
»Spann das Pferd aus und bring es in den Stall! Anschließend trägst du unsere Einkäufe ins Haus! Aber nur
bis in die Diele!«
»Aber …«, wunderte sich Ian. »Was …«
»Wenn etwas fehlt«, Trix schielte auf die Gaffer,
»peitscht Sauerampfer mich aus. Und ich dich.«
Damit verschwand er im Haus – dessen Tür sperrangelweit offen stand.
Im Innern war alles still. Nichts zeugte von dem
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